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Familienfesttage

Individuelle Vorbereitungen in der Familie zu besonderen Festtagen einst auf dem Lande

(Jänickendorfer Senioren der Jahrgänge 1928 – 1950 berichten am 25. Januar 2017 aus ihrer Kindheit)

Taufe:

Die Eltern des Neugeborenen baten Verwandte, Freunde oder Nachbarn das Amt eines  Taufpaten für ihr Kind zu übernehmen. Nach einer Zusage erhielten sie dafür noch eine schriftliche Bitte mit etwa folgendem Inhalt:

Unser Kind soll die Heilige Taufe empfangen. Deshalb bitten wir Sie als Zeuge mit gutem Bekenntnis und Gebet bei der heiligen Handlung in der Kirche dabei zu sein.
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Der Patenbrief wurde von der Hebamme ausgetragen bzw. am Fenster der entsprechenden Familien abgelegt.
Außer der Paten wurden aber auch noch weitere Verwandte und Freunde zur Taufe eingeladen. Dafür gab es extra für diesen Anlass gestaltete Einladungskarten. Meist – dieser Zeit entsprechend – mit gezeichneten Engeln oder einem Storch mit  im Schnabel tragendem Kind. Diese bildhafte  Gestaltung der Karten entsprach dieser Zeit.

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Taufe_Einladung

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

K i n d e r u n d J u g endliche wurden  nicht über die Zeugung von Nachwuchs aufgeklärt. Üblich war folgende Version: Der Klapperstorch bringt die Kinder. Wenn du ein Schwesterchen haben möchtest,  musst du ein Stück Würfelzucker aufs Fensterbrett legen. Soll es aber ein Brüderchen sein, so streue etwas Salz hin.
Die auserwählten Paten besorgten kleine Erinnerungsgeschenke  an den ersten Festtag im Leben des Kindes.  Oft war es ein  silbernes Kinderbesteck, ein Kaffeegedeck für Kinder, ein kleines Kettchen für die  Mädchen oder auch eine Kinderbibel.

Konfirmation

Die Vorbereitungen zur Konfirmation innerhalb der Familie begannen mit dem Besorgen der entsprechend festlichen Kleidung und der Zubereitung von Speisen für diesen Festtag.
Schon zur Prüfung der Konfirmanden wenige Sonntage zuvor wurde für diesen Anlass oft neue Kleidung angeschafft. Die 89 – jährige Helga Wienicke (geb. Lehmann) erinnert sich noch gut an den eigens dafür gekauften Webpelzmantel.
In Jänickendorf war es üblich, dass die Konfirmanden zu ihrer Einsegnung schwarz gekleidet gingen, weiße Handschuhe trugen und beim Kirchgang einen kleinen  Handstrauß, gebunden aus Maiglöckchen,  mit einem weißen Spitzenband umbunden, trugen. So berichten es jedenfalls Christa Hagen (geb. Rasack) und Helga Wienicke, beide am 8. März 1942  in der Jänickendorfer Kirche konfirmiert.
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                                                                                                                         1953 v.l.: B. Lehmann, J. Müller, R. Teuber, B. Nitsche,  H. Schulze
 
Natürlich hatten die geladenen Gäste für diesen Tag auch kleine Geschenke im Voraus besorgt. Oft war es eine Bibel oder ein Gesangbuch. Aber auch praktische Sachen wurden den jungen Erwachsenen überreicht. Renate Kuhlmey (geb, Nitsche, Jg. 1937) erinnert sich an derbe Stoffe für kurze Arbeitsschürzen oder Arbeitskleider. Häufig überreichten die Gäste auch schon erste Gegenstände für den späteren Haushalt der Konfirmanden in Form von Wischtüchern, Tischdecken u.ä.
Christa Hagen  weiß noch, dass vor ihrer Konfirmation der Keller frisch gescheuert wurde, denn der kühle Keller eignete sich gut zum Aufbewahren der Festspeisen. Geladen waren die Gäste zu Kaffee und Abendbrot. Torten und natürlich selbst gebackener Blechkuchen nach alt hergebrachten Hausrezepten waren tags zuvor zubereitet  und standen nun auf der festlich geschmückten Tafel. Die geschlachteten Hühner standen am Abend zu Frikassee verarbeitet zum Essen bereit. Schweinebraten, gereicht mit Kartoffeln und verschiedenen Gemüsesorten  rundeten das festliche „Abendmahl“ ab.
Was aber heute fast unvorstellbar ist, die Konfirmanden mussten wie gewohnt nach dem Abendbrot das eigentlich ja für sie gestaltete  Fest und die noch anwesenden Gäste verlassen und zu Bett gehen

Hochzeit

Auch vor einer Hochzeit waren  Vorbereitungen zu treffen. Entsprechend der Besonderheit dieses Festes, mit oft mehr als 100 Gästen bis in die 1960er Jahre, gestaltete sich der Aufwand der Vorbereitungen:

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1932 Hochzeit Amanda u. Gerhard Nitsche

War eine Hochzeit geplant, wurde diese  6 Wochen vor dem eigentlichen Termin öffentlich als Aushang („Aufgebot“) bekannt gegeben. Mindestens zwei Trauzeugen mussten vorher benannt sein. Das waren häufig Geschwister oder gute Bekannte des Brautpaares.
Schon Tage zuvor wurde eine Girlande aus frischem Tannengrün gebunden, um damit am Hochzeitstag die Eingangstür des Hochzeitshauses zu schmücken. Häufig waren Blumen mit eingebunden und ein Schild mit der Aufschrift „Herzlich willkommen“  angebracht.

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1932 Hochzeit Zoberbier

Tannengrün oder Blumenblüten zum Streuen des Weges, der vom Hochzeitshaus bis zur Kirche führte, wurden vor dem Hochzeitstag geschnitten und Blumenstreukinder oder junge Frauen auserwählt.

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Schon lange vorher legte der Bräutigam Kleingeld zurück, um dieses beim Verlassen der Kirche als Glücksbringer auszuwerfen.
Viel Arbeit gab es vor einer Hochzeit in der Küche: Zahlreiche Blechkuchen mussten gebacken, Hühner geschlachtet und zu Frikassee bzw. einer schmackhaften Hochzeitssuppe, verfeinert mit Eierstich, zubereitet werden. Besonders viel Blechkuchen wurde deshalb benötigt, weil Nachbarn und Bekannte, die Hochzeitsgäste zum Übernachten aufgenommen hatten, schon am Vortag der Hochzeitsfeier davon etwas erhielten, um diesen beim Frühstück den Übernachtungsgästen anzubieten. In Jänickendorf war es bis um 1930 üblich, dass jeder aus dem Dorf geladene Gast am Vortag ein Viertel Blech Streuselkuchen und ein Stück Reibekuchen erhielt, der für deren nichtgeladenen Familienmitglieder bestimmt war.

Der Bräutigam hatte die Aufgabe, Eheringe zu besorgen und gravieren zu lassen, soweit sie nicht durch eine vorherige Verlobung schon vorhanden waren. Auch um den Hochzeitsstrauß musste er sich  kümmern. Meist war es hier üblich, dass die Eltern des Bräutigams das Hochzeitskleid auswählten und dafür die Kosten übernahmen, ebenso wie für die Getränke und die Brauteltern für das Essenangebot verantwortlich zeichneten.

Schließlich bereiteten gute Freunde oder Familienangehörige eine Hochzeitszeitung vor, die am Hochzeitstag vorgelesen wurde. Die Beiträge darin befassten sich mit dem Brautpaar, deren Familienangehörigen und meist auch mit lustigen Begebenheiten aus dem Leben aller Anwesenden. Kinder aus der Nachbarschaft oder Verwandtschaft lernten oft schon lange  vor dem Festtag der Festlichkeit angepasste kleine Gedichte und Lieder.

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Hochzeitszeitung 1935

Ostern

Die Vorbereitungen innerhalb der Familie zum Osterfest waren dagegen gering

Das Färben der bunten Ostereier oblag der Hausfrau. Am besten eignen sich dafür weiße Hühnereier, die die Farbe besonders gut aufnehmen.

Die Farbgebung erfolgte ausschließlich mit natürlichen Mitteln. Tage zuvor legte sich die Hausfrau verschiedene  Kräuter, Baumrinden, Wurzeln, Zwiebeln und Gemüse bereit, um recht viele unterschiedliche Farbtöne zu erzeugen. Baumrinde, Wurzeln und Hölzer mussten etwa 2 Tage zuvor eingeweicht werden, um einen kräftigen Sud zu erhalten. Rote Bete, Rotkohl, Spinat, Beeren, Karotten, Zwiebeln und unterschiedlichste Teesorten kochte sie auf, seihte diese durch ein Sieb und legte die hart gekochten Eier für einige Minuten in diesen Sud. Das Ergebnis waren Eier in den Farben Gelb, Braun, Bordeau und Türkis.
Die Kinder waren indes damit beschäftigt Nester zu bauen. Heu, Gras oder Stroh wurden dazu an entsprechenden Stellen im Garten in Form eines Nestes verteilt, in die der Osterhase die  bunten Eier dann hoffentlich auch ablegte.
Extra hart gekochte Eier benötigten sie zum sogenannten „Botscheln“. Dafür bereiteten die Kinder Tage zuvor auf einem sandigen Hügel im Ort (am Holländer oder in Friedhofsnähe) eine schmale Rinne nach unten, die in einem etwas größeren Loch endete. Dort wurden am Ostertag die Eier herunter gekullert. Wer die größte Anzahl heil gebliebener Eier ins Ziel brachte war der Gewinner.

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1954 beim BOTSCHELN

Die jungen Mädchen beschäftigten sich  indes mit einer ganz anderen Tradition zum Osterfest. Es herrschte noch im 20.Jhdt.der Aberglaube, dass man durch das Waschen mit „Osterwasser“ sein Aussehen verschönern kann. Deshalb trafen sich Jugendliche am späten Abend vor Ostern oder am frühen Morgen des Ostertages – es musste nämlich noch dunkel sein – und begaben sich gemeinsam zum Jänickendorfer Graben oder zum Eiserbach, um daraus Wasser in kleine Behälter zu schöpfen.

Am Jänickendorfer Graben
Eiserbach

Damit wuschen sie  später Zuhause ihr Gesicht in der Hoffnung nun ein  besonders ansprechendes Aussehen zu bekommen. Diese Handlung musste aber im Geheimen geschehen.

Pfingsten

Auch für das Pfingstfest wurden in den einzelnen Haushalten individuelle Vorbereitungen getroffen.
Eine sehr schöne Tradition war das Schmücken der Häuser mit jungen Maien (Birken) bis hin zur Kirche. Man stellte oft rechts und links neben die Haustür  junge Birkenzweige oder auch kleine Birkenstämmchen in ein mit Wasser gefülltes Gefäß.  Sie galten als Bote des Frühlings und des  Lichtes.
 
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Bild. Wikipedia                                      Maiengrün zu Pfingsten vorm Haus

In Vorbereitung des Pfingstfestes freuten sich besonders die Kinder  darauf nun endlich  das Leibchen und die daran mit speziellen Strumpfhaltern befestigten langen Wollstrümpfe bis zum  nächsten Winter abzulegen und endlich wieder Kniestrümpfe und Socken anzuziehen. Die Jungen warteten schon darauf, dass ihre kurzen Hosen aus dem Schrank geholt werden.
Nun konnte man sich auch wieder zu abendlichen Spaziergängen durchs Dorf verabreden.
Zum Pfingstfest gehörten auch die Vorbereitungen zum traditionellen „Stollenreiten“. Die Organisation des Festes lag in „öffentlicher“ Hand. Doch auch der  Reiter  musste sich auf seine Teilnahme vorbereiten. Wichtig war dabei erst einmal die Kleidung. Das weiße Hemd wurde nochmal frisch gewaschen und gebügelt. Dazu trugen die Reiter eine Stiefelhose oder dunkle Anzughosen.

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1958 Manfred Bölke beim Stollenreiten

Besonders viel Zeit nahm das Putzen und Striegeln der Pferde in Anspruch. Jeder Reiter wollte das schönste Tier haben. Auch die Reitsättel unterzogen sie einer besonders intensiven Pflege in Vorbereitung des Stollenreitens. Und wer selbst weder Pferd noch Sattel besaß, der musste sich beizeiten mit einem guten Freund oder Nachbarn zwecks Leihgabe  in Verbindung setzen.


Die Frauen und Mädchen beschäftigten sich indes mehr mit der Auswahl ihrer Garderobe zum abendlichen Tanzvergnügen.

Weihnachten

Ein weiteres Fest, das mit zahlreichen Vorbereitungen innerhalb der Familie verbunden war, ist das Weihnachtsfest.
Obwohl fast jeder Bauer auch Waldbesitzer war, kam der Weihnachtsbaum traditionsgemäß für die heimische Stube nicht aus dem eigenen Wald. Er wurde von Vater oder Großvater  aus einem, meist etwas entfernt gelegenen Wald geholt – das „unerlaubte“  Schlagen des Tannenbaumes im fremden Wald gab ihm ein besonderes Gepräge und Heimliches – so wie die Vorbereitungen zum Weihnachtsfest insgesamt.

07_neu-208_Einschlagen des Keils in einen Baum zu Fällen
Am Abend, wenn die Kinder schliefen, waren Mütter und Großmütter  damit beschäftigt neue Socken, Handschuhe oder warme Pullover für den Nachwuchs zu stricken. Zu den damals meist sehr bescheiden ausfallenden Geschenken gehörten ebenso neue Puppensachen oder   die im vergangenen Jahr wenige Zeit nach Weihnachten plötzlich verschwundene Puppenstube stand nun auf einmal  wieder mit einigen reparierten oder erneuerten Gegenständen unterm Tannenbaum.

Der Weihnachtsbaum wurde heimlich von den Eltern mit bunten Glaskugeln, die mehrere Generationen überlebt hatten, geschmückt. Als besondere Zierde kamen weißes  Engelhaar, später auch silbernes  Lametta, noch auf die Tannenzweige und natürlich Wachskerzen. Elektrische Kerzen waren zu dieser Zeit kaum vorhanden.

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Richard Hagen 1972

Als ganz besonderer Schmuck zierten oftmals auch bunte Ringe und Sterne aus süßem Fondant den Baum. Die Kinder durften sich dann jeden Abend vor dem Zubettgehen ein Stück davon nehmen.
Den Weihnachtsbaum bekamen die Kinder erst nach dem Kirchgang am Heiligen Abend zum ersten Mal zu sehen. Bis dahin war die „gute“ Stube verschlossen  und eventuell vorhandene Türfenster mit einer sichtdichten  Decke verhangen.
Am Weihnachtsabend stellten die kleineren Kinder häufig Heu und Wasser vor die Tür, um damit die Pferde des Weihnachtsmannes, der ja nach alten Erzählungen mit der Kutsche oder dem Pferdeschlitten kam, zu versorgen. Heu wie auch Wasser waren nach der Einkehr des Weihnachtsmanns dann  verschwunden.

Oft löste sein Kommen aber auch Ängste bei den Kleinen aus.
Roswitha Hoser (geb. Ernicke) berichtet zum Beispiel, dass bei dessen Eintreffen, angekündigt durch lautstarkes Klopfen mit der Rute gegen die Tür, sie sich vor Angst unter den auf dem Flur stehenden Tisch versteckte.
Vater oder Großvater waren in die weihnachtlichen Vorbereitungen nicht nur mit dem Besorgen eines Tannenbaumes einbezogen, sondern  mussten oftmals auch die Rolle des Weihnachtsmannes übernehmen.

 11_Weihnachten 1971
Sylvia, Christian u. Katrin Bölke   Weihnachten 1971
Vati als Weihnachtsmann

Wenn diese dann bei der Bescherung fehlten, wurde das mit der Arbeit des Fütterns der Tiere begründet.
Es passierte aber auch so manches Mal, dass die Kleinen den Knecht Ruprecht aufmerksam betrachteten und dabei feststellten, dass er, wie Helga Wienicke (geb. Lehmann ) berichtet, die grauen Schuhe von Onkel Paul trug.
Die meist selbst gefertigten Geschenke unterm Tannenbaum fielen sehr bescheiden aus. Renate Kuhlmey (geb. Nitsche) erinnert sich noch mit Freude an ein Paar  Pantoffel aus Omas Samtmantel angefertigt, fein bestickt mit Blumen.
Wir, die heute zu den „Alten“ zählen, erinnern uns aber gern, mit Freude und in Dankbarkeit an diese kleinen Gaben, die mit viel Liebe und Ideenreichtum von Eltern und Großeltern für dieses Fest gearbeitet wurden.
Heute, im 21. Jahrhundert, sind  weihnachtliche Besinnlichkeit und Ruhe fast verschwunden. Begibt man sich während der Vorweihnachtszeit zum Einkauf in die Stadt, verspürt man dort meist nur noch hektisches Treiben und Getümmel.
Gaben für das Fest werden zum großen Teil nicht mehr selbst angefertigt, sondern käuflich erworben, denn es gibt ja fast alles in den großen Supermärkten und Kaufhäusern.
Zum Glück geht es den meisten Familien heute finanziell besser. Eltern, Großeltern und Verwandte können kleine und große Wünsche oft problemlos erfüllen – aber so eine große Überraschung und Dankbarkeit wie sie unsere Generation unterm Tannenbaum empfunden hat, ist oft nicht mehr spürbar.

Gisela Bölke

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