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Karl Bauer 1941- 1945

Die Erlebnisse von Karl Bauer aus den Jahren 1941-1945

Rückkehr nach 75 Jahren

01_Margarita, Nikolai, Karl Bauer, Christa Hagen, Olga Bauer 17.7.2020

Margarita, Nikolai, Karl, Christa H., Olga

Am 18. Juli 2020 hatte ich in Jänickendorf eine Begegnung, von deren Art es immer weniger geben wird.
Ich war mit der Reinigung der Straße beschäftigt als ich vier Personen sah, die auf meine 92 -jährige Nachbarin zugingen und sie ansprachen. Da die Nachbarin stark sehbehindert ist und sich das Gespräch in die Länge zog, begab ich mich zu dieser Runde um evtl. meine Hilfe anzubieten. Und das war für mich als Ortschronistin ein lohnender Gang.
Einer der Gäste war der 90-jährige Karl Bauer in Begleitung seines Sohnes mit Frau und einer seiner Töchter, der aus der Ukraine stammt und seit 1994 als „Russlanddeutsche“ wieder in Deutschland leben.
Karl Bauer wohnte vor 75 Jahren hier in Jänickendorf. Seine Familie wurde 1943 nach Deutschland „umgesiedelt“. Er berichtet, dass die Familie, Mutter mit sechs Kindern, sechs Monate mit dem Pferdewagen unterwegs waren bis sie in Deutschland ankamen. Die Ankömmlinge wurden auf das Land verteilt – Karls Familie kam nach Luckenwalde und wurde weiter nach Jänickendorf verwiesen. Die siebenköpfige Familie fand ihr neues Zuhause in einer kleinen Stube bei dem Gastwirt Rasack, den Eltern unserer Nachbarin.
Viele Jugendliche in seinem Alter wurden noch als Soldaten eingesetzt. Da der 15-jährige Karl von sehr kleinem Wuchs ist, blieb e

02_G.Bölke, Karl u. Olga Bauer, Ch,Hagen

G. Bölke, O. u. K. Bauer, rechts Ch. Hagen

r davon verschont. Als Ältester der Geschwister half er auf dem Feld, im Stall auf dem Hof – eben überall dort wo Hilfe benötigt wurde.
Erstaunlich, wie lebhaft die Erinnerungen nach 75 Jahren noch im Gedächtnis dieses kleinen geistig und körperlich sehr vitalen Mannes sind. Er konnte die Namen aller Familienmitglieder unserer Nachbarin nennen und erkannte sie auch auf Fotos wieder; fragte nach Gebäuden, die den Kriegshandlungen 1945 zum Opfer fielen.
Für mich waren seine geschilderten Kriegserlebnisse in unserem Dorf aus dieser Zeit besonders beeindruckend, da ich mit Hilfe der Jänickendorfer Senioren diese in einem reichlich 100 Seiten umfassenden Augenzeugenbericht aufgeschrieben habe.
Dankbar waren Karl und seine Angehörigen, dass ich dieses Buch von Zuhause holte und ihnen Fotos aus dieser Zeit zeigen konnte, die Jänickendorf noch vor der Zerstörung zahlreicher Gebäude am 21./22. April 1945 dokumentieren und ihnen ein Exemplar davon überließ.
Viele Erlebnisberichte aus dem Buch stimmen mit den Schilderungen von Karl Bauer überein; aber auch einige bisher unbekannte Ereignisse konnte ich für eine Ergänzung meiner Niederschrift notieren.
Nach Kriegsende 1945 wurde Karl Bauer mit Mutter und Geschwistern nach Sibirien geschickt, wo sie lange Zeit in einem Kuhstall eine vorläufige Bleibe fand.
Heute wohnt Karl mit seinen Kindern in Niedersachsen/Landkreis Vechta, er möchte 100 Jahre werden
Gisela Bölke

August 2020
 

Vorwort:

Mutter von Karl Bauer: Elisabeth Bauer geb. Schulz (Nationalität: Deutsch), evangelisch, geboren in Ukraine in einem deutschen Dorf „Arbeiterheim“ am 17. April 1901.  Sie beendete 4 Klassen einer deutschen Schule, die zur damaligen Zeit die volle Schulzeit bildeten. Elisabeth starb in Deutschland in der Stadt Bramsche im Jahr 1995.
 
Vater von Karl Bauer: Eduard Bauer geboren in der Ukraine in dem deutsche Dorf „Bauernheim“, am 9. Mai 1902, (Nationalität: Deutsch), Baptist. Er beendete ebenfalls 4 Klassen einer deutschen Schule und hatte damit auch die volle Schulzeit absolviert. Eduard starb am 23. April 1979 in Kasachstan in der Stadt Alma-Ata.
 
Bauer1Am 22. Juli 1922 heirateten Eduard und Elisabeth.
Auf dem Foto: Elisabeth und Eduard am Tag der Hochzeit.  Nach der Hochzeit zog das junge Paar in das deutsche Dorf  Grüntal „Saporoschski Oblast“ in der Ukraine.
Sie wohnten zuerst in einem alten Haus (ehemalige Schmiede),in dem das Inventar der Sowchose aufbewahrt wurde. Elisabeth und Eduard bekamen 11 Kinder. Alle sind im Dorf Grüntal zur Welt gekommen. In dieser Zeit herrschte in der Ukraine eine große Hungersnot. Es gab keinerlei Medikamente, so dass die medizinische Versorgung nicht existierte.  Aus diesem Grund sind die ersten fünf Kinder im Kindesalter verstorben. Das erste Kind war die Tochter Bertha. 
Sie wurde 1917 vor der standesamtlichen Trauung und vor der russischen Revolution geboren. Sie starb an Typhus. Dann wurde Tochter Lydia im Jahr 1922 geboren. Diese starb im Alter von 8 Monaten. Daraufhin sind während der Geburt die Zwillingstöchter verstorben. Als fünftes Kind wurde Jakob geboren. Er starb im Alter von drei Jahren an einer Lungenentzündung. Das sechste Kind war Karl, geboren am 14.10.1929. Er war das erste Kind, das überlebt hat. Alle darauffolgenden Kinder haben ebenfalls überlebt und leben zum jetzigen Zeitpunkt alle in Deutschland. Nach Karl kam die Tochter Frieda im Jahr 1932 zur Welt. 1934 kam Sohn Eugen zur Welt gefolgt von Tochter Lina im Jahr 1937. Anschließend kam Tochter Erna im Jahr 1939 zur Welt. Im Jahr 1941 kam das letzte Kind Waldemar zur Welt.
 
Zu Beginn des Weltkriegs 1941 hat Eduard alle Ställe, Scheunen und die Schmiede abgerissen und erbaute an dieser Stelle ein großes Haus mit einem Kamin, einem großen Schornstein und einer Räucherei. Es blieb nur noch das Dachdecken, bis die Bauarbeiten vollendet wurden, aber im Oktober 1941 kam der Krieg dazwischen und alle Männer deutscher Herkunft wurden in die sogenannte „Trudarmee“ Zwangsarmee eingezogen, wo sie sehr schwer arbeiten mussten. Am Ural erbauten sie unter Zwang einen großen Wasserspeicher. Die Verpflegung und die Umstände waren grauenhaft, sodass nur ein kleiner Teil lebend zurückkehrte und wenn, dann entstellt und mit körperlichen Behinderungen. Eduard war 3 Jahre in der Zwangsarmee und verlor dabei sein Augenlicht auf beiden Augen. Fast erblindet wurde er aus dieser Armee entlassen. Nachdem er erfuhr, dass seine Familie nach Deutschland abtransportiert wurde, kam er zu seinem Bruder Alexander nach Sibirien „Kemerowskaja Oblast“.
Währenddessen kam Elisabeth 1941 mit dem letztgeborenen Waldemar aus dem Kreissaal nach Hause. Sehr schwach auf den Beinen musste sie nun ohne ihren Mann das Haus in Eigenarbeit weiterbauen. Beim Dachdecken hat Gustav Galster, der Bruder, geholfen. Die schwierigsten Arbeiten musste allerdings Karl, als der Älteste, ausführen. Bis 1943 lebte die Familie in der Ukraine und hat das Haus bewohnt.
 
Zeitzeugenaussage von Karl Bauer - Abtransport von Ukraine nach Polen

„1943 wurden alle deutschstämmigen Familien nach Polen umgesiedelt. Die gesamte Bevölkerung der Ortschaft Grüntal musste mit Pferdewagen im tiefsten Winter durch den Schnee über Estland und Weißrussland nach Polen gelangen. Begleitet wurden wir von drei deutschen Soldaten. Sie hießen Adam, Jakob und Heinrich.
Bei der Ankunft in Weißrussland machten wir Halt an der Station „Astrovo“. 
Die russischstämmigen Bewohner wurden aus ihren Häusern vertrieben und in diese Häuser wurden wir, die deutschen Familien einquartiert. In einem dieser Häuser wohnten wir zwei Monate. Im Frühling sind wir mit unseren eigenen Pferden nach Warschau weitergezogen. Ein deutscher Kommandant befahl einem jungen Mann namens Mischa (21 Jahre), der in Gefangenschaft der Deutschen war, sich um unsere Familie zu kümmern, bis wir  nach Warschau gelangten. Er half uns im Haushalt und bei allem, was nötig war. Nach der Ankunft in Warschau wurde Mischa und die Pferde abgezogen. In Polen bekamen wir die deutsche Staatsangehörigkeit, weil dieser Teil Polens zum deutschen Reich annektiert wurde. Nach der Kontrolle kamen alle Deutschen nach Schengrund (Ortschaft Aschenort) Station Kiebikstal. In der Ortschaft wurde wieder eine polnische Frau aus einem kleinen Häuschen rausgeschmissen und wir wurden dort einquartiert. Dort wohnten wir bis Oktober und wurden anschließend mit dem Zug nach Deutschland transportiert. Am Tag der Abreise kamen wir zur Station Ostrowo, von der wir abfahren mussten. Diese Station wurde von den Russen belagert. Es herrschte ein starkes Durcheinander und Chaos. Überall lagen Tote und Verletzte. Wir hatten alle schreckliche Angst.  Ein russlanddeutscher Soldat aus Odessa, der auf Seiten der Deutschen kämpfte, half uns in einen Wagon zu gelangen. Er schoss die Schlösser am Wagon mit einem MG ab, sodass wir hineingelangen konnten. In den Zügen versteckten sich viele Flüchtlinge unterschiedlicher Nationalitäten. Es vielen Schüsse, alles musste schnell gehen, trotz allem schaffte der Soldat vier Familien (Hack, Färber, Kaften und Bauer) in den Wagons einzuschließen und wir fuhren los. 3 oder 4 Tage fuhren wir durch. Ich war gerade erst 15 Jahre geworden, hatte aber eine große Verantwortung als Ältester für meine Familie. Bei jedem Halt kletterte ich aus einem schmalen Fenster aus dem Zug und versuchte Trinkwasser für alle im Wagon zu besorgen. Ansonsten gab es nichts zu trinken und auch nichts zu essen.

 

In Deutschland

Bei der Ankunft in Deutschland brachte man uns alle in ein Auffanglager. Um dorthin zu gelangen, marschierten wir ca. 1 km zu Fuß. Vor Ort mussten wir uns komplett ausziehen und unsere Sachen wurden verbrannt. Es war notwendig, weil wir wegen der Strapazen voller Schmutz und Läusen waren. Jeder bekam ein Stück Seife und wir wurden aufgefordert uns zu duschen. Die Duschen waren in einem Kunststoffzelt. Unter den Füßen wurde provisorisch ein Fußboden aus Paletten gemacht. Aus den Duschen kam warmes Wasser und wir waren überglücklich nach einer so langen Fahrt endlich duschen zu können. Nach dem Duschen wurden wir vermessen und bekamen saubere Kleidung. Jeder erhielt außerdem eine Tasse, einen Teller und einen Löffel aus Aluminium. Danach gab man uns etwas zu essen. Es gab für jeden einen Teller Klößchensuppe, ein Stück Brot und eine Tasse Kaffee. Aber meine Mutter erlaubte uns nicht das Brot zu essen, da sie befürchtete, dass uns davon schlecht wird, weil wir so lange Zeit hungerten. Am nächsten Morgen durften wir dann endlich alles essen und konnten uns so richtig sattessen. Am nächsten Tag ging es wieder weiter in einem Zug aus dem Auffanglager in Berlin 58 km weit nach Luckenwalde. In Luckenwalde übernachteten wir eine Nacht woraufhin wir sehr früh morgens in Wagen mit Pferden und Traktoren in verschiedene Dörfer verstreut wurden.
Die vier Familien aus unserem Dorf wurden alle nach Jänickendorf, 7 km von Luckenwalde, gebracht. Die Familie Rasack nahm unsere Familie auf. Sie hatten vier Kinder. Christa 17, Sonja 15, die jüngere Schwester Herta und der jüngste Sohn Erich. Das Alter der beiden jüngeren Kinder weiß ich nicht mehr genau. Die Hausherrin hieß Frieda und ihr Mann Erich. Sie besaßen 40 Kühe, 3 Pferde, ein eigenes Restaurant, eine Gaststätte, einen großen Kinosaal und eine Tanzfläche. Mama half der Familie Rasack im Haushalt und ich half ihr. Bei den Rasacks wohnten noch andere Helfer. Zwei junge Polen und ein Mädchen aus Weißrussland, Namen weiß ich nicht mehr. Sie wohnten auf dem Dachboden und wir im ersten Obergeschoss. Im Obergeschoss, wo wir wohnten, befand sich auch ein Lagerort für Bettwäsche, Geschirr und Vorräte.
Als Ende April die Russen einmarschierten, sind die Polen und das Mädchen aus Weißrussland mit den Pferden geflüchtet. Ich erinnere mich, es waren die letzten Tage vor dem Ende des Krieges, als die Russen einmarschierten. Die Hausherrin Frieda versteckte ihre beiden Töchter Christa und Sonja in der Scheune. Wir versteckten uns ebenfalls in den Scheunen und ich wurde Zeuge vieler schrecklicher Verbrechen. Eines Tages wurde die Ortschaft von Stalinorgeln beschossen. Familie Rasack und andere Einwohner des Dorfes versteckten sich im Wald. Unsere Familie und die Familie Kaften versteckten uns im Keller der Rasacks. Der Keller befand sich unter der Scheune und über uns war Stroh. Ein heißer Geschosssplitter durchschlug das Dach und das Stroh fing Feuer. Wir erstickten im Rauch und Mama sagte: „Karl, du bist schon erwachsen, geh und guck bitte, was dort geschieht. Ansonsten werden wir hier alle ersticken.“ Ich hatte eine solch große Angst, aber mir blieb nichts übrig als raus zu klettern und nachzusehen. Das Stroh brannte, ich nahm meine Jacke und löschte das Feuer. Dann sah ich den brennenden Geschosssplitter, ummantelte ihn mit meiner Jacke und brachte ihn in einen Graben hinter dem Hof. Meine Jacke verbrannte, aber ich war stolz, dass ich das Haus, alle Menschen und Tiere retten konnte.
In den darauffolgenden Tagen gab es schreckliche Gefechte. An der Ecke zur Ortseinfahrt wohnte eine Familie. Die hatten einen Sohn namens Kurt und eine Tochter namens „Hilde“, aber irgendwie nannten wir sie Mathilde. Kurt konnte schlecht sehen, er war fast blind und deshalb für den Wehrdienst ungeeignet. Er und sein Vater waren Feuerwehrleute im Ort. Sie hatten einen großen Wagen mit einem ebenso großen Wassertank. Die gesamte Ortschaft schien in Flammen zu stehen, es brannten Scheunen, Häuser und Ställe. Sie hatten ihre Feuerwehruniformen an und wollten gerade losfahren, um das Feuer zu löschen. Da kamen die Russen und befahlen den beiden vom Wagen zu steigen. Kurt weigerte sich und sagte, dass sie zivile Personen seien und nur das Feuer löschen wollten, das sei ihre Pflicht. Daraufhin haben die Russen Kurt erschossen. Nach dieser Tat hat der Vater rebelliert, worauf auch er vor den Augen seiner Frau und der Tochter erschossen wurde. Hilde war 20 oder älter, die Russen wollten sie misshandeln und weil die Mutter ihr helfen wollte, wurde der Mutter direkt ins Gesicht geschossen. Hilde überlebte, aber Kurt, der Vater und die Mutter wurden vor dem Haus notdürftig begraben. Als die Russen gingen, wurden sie auf dem Friedhof beigesetzt. Ich habe mitgeholfen die Gräber auszuschaufeln und war bei der Beerdigung dabei. Ich erinnere mich, wie die Russen neben der Kirche einen gefallenen Kameraden bestattet haben. Ich beobachtete das aus dem Fenster des Hauses der Familie Rasack. Sie haben aus ihren Gewehren drei Salven abgegeben.
Im Mai 1945 wurde unsere Familie erneut nach Luckenwalde geschickt. Aus Luckenwalde wurden wir weiter nach Cottbus verfrachtet. Dort waren wir bis Oktober 1945.
In Russland blieb unser Vater zurück, weil er in der Trudarmee war. Mama hatte Angst, dass sie uns sechs alleine nicht durchkriegen wird. Die Russen haben uns versprochen, dass sie uns in der UDSSR alle unsere Ländereien und Häuser wiedergeben würden. Das bescheinigten sie uns sogar schriftlich mit amtlichen Stempeln. Mama hat ihnen geglaubt. Ihr größter Wunsch war jedoch, unseren Vater wiederzufinden, sodass sie einwilligte.

 
Zurück nach Russland

Kaum, dass wir in den Zug einstiegen, bemerkten wir, dass es Viehwagons waren. Wir wurden eingeschlossen und die Türen mit Draht verriegelt. Es gab nichts zu essen und auch nichts zu trinken. Einmal täglich wurden die Türen geöffnet, damit wir die Eimer mit den Exkrementen entleeren konnten. Ohne Nahrung und Wasser fuhren wir viele Tage, bis wir in Sibirien (Altaiskij Krai) Stadt Bijsk ankamen. Dort mussten wir aussteigen und 7 km zu Fuß gehen, bis wir in die Ortschaft Salanjeshawskij angelangten. Im Altai war es schon bitter kalt und es lag Schnee. Wir gingen in eine Ortschaft namens Berösawka. Wer nicht gehen konnte wurde auf die Ladefläche des LKW gesetzt. Der LKW fuhr langsam. Nach der Ankunft wurden wir und neun weitere Familien (Färber, Fuchs, Ernst und andere, an deren Namen ich mich nicht mehr erinnere) alle in einen Kuhstall verfrachtet. Er war aus Holz und die Fenster waren mit Strohballen zugestopft. Mama hat sofort angefangen in einem der Kuhställe zu arbeiten. Ich habe auf dem Feld gearbeitet und später Kühe gehütet. Geld haben wir nicht bekommen, nur 200g schwarzes Brot pro Person/Kind und 500g Brot pro arbeitende Person. Davon mussten wir leben. Es reichte nicht zum Überleben. Um nicht zu verhungern, verkauften wir alles, was wir noch aus Deutschland mitnehmen konnten und kauften davon Essen. So haben wir bis zum Frühling durchgehalten. Im Frühling haben wir Gras und Beeren gegessen. Der jüngste Bruder Waldemar ist fast verhungert, sodass ich angefangen habe für ihn heimlich Milch abzumelken. Mama hat die Entscheidung nach Russland zu gehen immer bereut und oft geweint. Alle Versprechen entpuppten sich als falsch und gelogen. Unseren Vater konnten wir auch nicht finden. Die Post arbeitete nicht und wir wussten nicht ob er lebt oder nicht.“
 
Ergänzung:

Eduard Bauer, der Vater von Karl, suchte ebenfalls seine Familie. Ihm wurde gesagt, dass seine gesamte Familie und andere Deutschstämmige 1943 nach Deutschland deportiert wurden. Zwei Jahre lang lebte er alleine mit seiner Mutter Berta Galster. Danach kam er mit einer anderen Frau zusammen und lebte mit ihr 3 Jahre. Elisabeth hat allerdings weiter gesucht. Eines Tages kam eine Frau ins Dorf, die Elisabeth erzählte, dass sie Eduard kenne und dass er in der Provinz Kemerowo lebe. Elisabeth ist sofort mit den Kindern nach Kemerowo aufgebrochen. Nach dem Wiedersehen kam es zu großer Freude und vielen Freudentränen. Die Frau, mit der Eduard lebte, verließ ihn daraufhin sofort. Die Familie war endlich wieder vereint. Elisabeth hegte noch eine gewisse Zeit Groll gegen Eduard, hat ihm aber mit der Zeit verziehen. Eduard sah endlich seine Kinder und seinen jüngsten inzwischen 8 Jährigen Sohn, den er zuletzt im Alter von 2 Monaten sah. 

 

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Das Foto wurde ca. 1949-1950 gemacht. Auf dem Foto sieht man sehr gut, dass das Verhältnis zwischen Elisabeth und Eduard noch sehr angespannt war.

 

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Foto nach der Vereinigung der Familie.

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1954 heiratete Karl Johanna-Elena ( geb. Stach).

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Karl und Johanna Bauer bekamen fünf Kinder. Viktor, Nikolaj, Olga, Anna und Lilija. 


Heute ist Karl 90 Jahre, hat 8 Enkel und 7 Urenkel. 

Unsere ganze Familie ist der Familie Rasack sehr dankbar, dass sie in der schweren Kriegszeit  die große Familie Bauer mit sechs Kindern aufgenommen und nicht auf der Straßen stehen lassen hat. 
Als wir (Olga, Nikolaj und Margarita mit Karl) die Stadt Jänickendorf besuchten, trafen wir unerwartet auf Christa, die trotz der vergangenen 75 Jahre Karl nicht vergessen hatte und uns liebevoll empfing. Das rührende Wiedersehen und der rege Austausch rührte Karl sehr. Einen großen Dank dafür.
 
Die Erlebnisse schilderte Karl Bauer, aufgeschrieben wurden sie in russischer Sprache von seiner Tochter Olga Bauer und ins Deutsche wurden die Geschehnisse von seiner Enkeltochter Tatjana und ihrem Mann Roman Fehler übersetzt.

 

August 2020
 

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