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Vom Waschbrett zur Waschmaschine

Vom Waschbrett zur Waschmaschine

Senioren der Jahrgänge 1928 – 1942 berichten bei einem Treffen in der Museums – Scheune/Jänickendorf am 22.August 2018 welches ihrer elektrischen Geräte ihnen ganz besondere Erleichterung brachte.

Schon um 2750 vor  Chr. war im alten Ägypten das Phänomen bestimmter Fischarten bekannt, dass sie elektrische Spannungen erzeugen können (z.B. Zitterrochen oder Zitteraal). Auch von der meteorologischen Erscheinung der Gewitterblitze wird das menschliche Leben seither begleitet. Dass dieser Vorgang mit der Trennung elektrischer Ladungen innerhalb der Atmosphäre zu tun hat, wird erst seit der Neuzeit so gedeutet.
Die „Reibungselektrizität“ ist den Menschen bereits im Spätmittelalter bekannt. Im Jahr 1600  verwendet der englische Naturforscher William Gillbert erstmals den Begriff Elektrizität, den er aus dem alt griechischen Wort für Bernstein  „elektron“ übersetzt.
1663 erfand Otto von Guericke die erste Elektrisiermaschine , eine Schwefelkugel mit einer Drehachse, die Elektrizität durch von Hand bewirkte Reibung erzeugte.
Um Mitte des 18.Jhdts. wurde die Leidener Flasche erfunden, die älteste Form eines Transformators (E.G.v.Kleist und P.v.Musschenbröck) und 1752 erfand B.Franklin den Blitzableiter.
Um 1800 baute A.Volta die so genannte Voltasche Säule, die erste funktionierende Batterie.
P.Reis erfand 1860 das Telefon und damit die elektrische Sprachübermittlung.
T.A.Edison konstruierte1879 die Kohlefadenglühlampe und brachte damit das elektrische Licht zu den Menschen. In der Folge hielt Elektrizität Einzug in immer größere Bereiche des Lebens. Zur gleichen Zeit erfanden T. und M. von Dolivo-Dobrowolsky den Wechselstrom   und durch diese bahnbrechende Erfindung die Grundlagen der heutigen Energieversorgungssysteme.
1926 baute J.L.Baird mit einfachsten Mitteln den ersten mechanischen Fernseher.1928 folgte der erste Farbfernseher.
Manfred v. Ardenne führte 1931 das elektronische Fernsehen ein.
1941 stellte K.Zuse den weltweit ersten funktionsfähigen Computer  fertig und schließlich präsentierte im Jahre 1996 die Firma Honda den weltweit ersten funktionsfähigen menschenfreundlichen Roboter, den P2 der Öffentlichkeit.

40 Jahre nach Erfindung der Kohlefadenglühlampe hielt auch in Jänickendorf die Elektrizität  Einzug.
1919 am 20.Dezember wird die Landeselektrizität Kreis Jüterbog – Luckenwalde,e.G-m.b.H. gegründet. Dem Vorstand gehörte unter anderen auch der Jänickendorfer Bürgermeister a.D. Auersch an. Die örtlichen Stromversorgungsgenossenschaften, Städte und Gemeinden waren Eigentümer des für ihre Zwecke zu errichtenden Ortsnetzes und haben dieses auf eigene Kosten  errichtet und erhalten.
Die Hochspannungsleitungen hat das M.E.W. den Firmen  Lindner – Halle (Saale), Grundmann – Leipzig und Stock – Berlin übertragen. Lindner hat bis dahin 122,7 km, Grundmann 87 km und Stock 41 km Hochspannungsleitung in Auftrag erhalten. Bis 1922 sind 71 Ortschaften an die Überlandzentrale angeschlossen.
Seit dem 21.Dezember 1920 brennt in Jänickendorf das lang ersehnte elektrische Licht, elektrische Kraft treibt die Maschinen an und ersetzt nun den Göpel.
05_Göpeldreschmaschine Brockhaus Konservations-Lexikon 1901

Der Betrieb der Überlandzentrale gestaltete sich derart, dass der Strom aus der 100.000 Volt – Leitung des Deutschen Reiches Golpa – Berlin entnommen, der am Orte der Kohlengewinnung  in Zschornewitz bei Bitterfeld billigst erzeugt wurde. Der Strom ging nach Transformierung über Niederschöneweide – Rummelsburg durch das Berliner Leitungsnetz nach Sperenberg und wurde hier auf 30.000 Volt transformiert, um in dieser Stärke in die Schaltstation des Luckenwalder Elektrizitätswerkes eingeführt zu werden. Nach erneuter
Transformierung  auf 15.000 Volt wurde der Strom von hier aus in das Kreisnetz geleitet. Die angeschlossenen Abnehmer erhielten so Drehstrom 380 / 220 Volt.

Vor knapp 100 Jahren war auch für die Jänickendorfer Einwohner noch nicht voraus zu sehen, welche umwälzenden Veränderungen und besonders Erleichterungen bei der täglichen Arbeit der Strom mit sich bringen wird.
Wie ein Wunder war es für die Menschen auf einmal nicht nur durch Kerzenschein oder das Anzünden der bisher gebräuchlichen Petroleumlampen Licht in die dunklen Räume bei Eintritt der Dunkelheit zu bekommen.
Wenn auch für die hier berichtenden Senioren das elektrische Licht schon zur Selbstverständlichkeit gehörte, so sind sie doch im Verlauf ihres Lebens mit unzähligen neuen Geräten in Berührung gekommen, die erst durch die Erfindung des Stromes in dieser Funktion möglich wurde.

Eine ganz besondere Errungenschaft war die Umstellung des Küchenherdes auf  Elektrik.
Seit dem Ende des 18. Jahrhunderts gibt es echte Kochherde mit vollständig geschlossenem Feuerraum und eisernen oder kupfernen Herdplatten. Die Herdplatte hatte mehrere herausnehmbare Ringe, die Töpfe wurden in die Öffnung eingehängt. Im ländlichen Raum blieben diese Herde bis weit ins 20. Jahrhundert hinein.
Dieser Herd schaffte die „schwarze Küche“ (offene Feuerung) ab, die in vielen Dörfern wegen der Dachbedeckung mit Stroh nicht selten zum Ausbruch großer Feuer und dem Verlust zahlreicher Gebäude führten.
Der erste Elektroherd wurde 1893 bei der Weltausstellung in Chicago vorgestellt.
In Jänickendorf stand einer der ersten Elektroherde 1942 in der Küche der  Gastwirtschaft „Zum Hirsch“ – hergestellt von der Firma „Junkers Ruh“.
Waschbrett2Für mich selbst war die elektrische Waschmaschine eine ganz erhebliche Erleichterung. In keiner guten Erinnerung habe ich noch die Waschtage, bei denen es ca aller 4 Wochen ins Waschhaus ging. Bei einem Haushalt von einem Elternteil mit sechs Kindern fiel während dieser Zeit viel Wäsche an. Meine Aufgabe war dann meist das Waschen der Strümpfe. Mit den zarten Kinderhänden in der scharfen Waschlauge auf dem Waschbrett zu waschen führte oft zu aufgeriebenen Fingern, was sehr schmerzhaft war.
Später als ich jung verheiratet war und die Stallsachen meines Mannes auf dem Waschbrett waschen und mit der Wurzelbürste schruppen  musste,  war auch das kein Vergnügen. Umso größer war meine Freude als wir 1966 im Urlaub in Schwarzenberg/Erzgebirge Waschmaschinen frei verkäuflich in01_Bottichwaschmaschine einem Schaufenster sahen. Durch den Bergbau wurden diese Gebiete besser mit solchen Geräten beliefert. Bei uns hier musste man, wie bei vielen anderen Geräten (und auch Autos) eine Bestellung aufgeben und warten bis man mit der Lieferung an der Reihe war. Per Eisenbahn wurde die Maschine zum damals noch existierenden Jänickendorfer Bahnhof geliefert und ich konnte meine WM 66 (halbautomatische Waschmaschine ohne Schleudergang) dankbar in Betrieb nehmen.
Hier in Jänickendorf gab es aber bis ca. 1960 die Möglichkeit zum Ausleihen einer elektrischen Bottich – Waschmaschine. Diese konnte man im damaligen Speicher der BHG (Bäuerliche Handelsgenossenschaft) – heute  die Museums Scheune –  nach Terminabsprache abholen. Der Holzbottich war mit Rädern versehen, so dass die Maschine durchs Dorf  bis zum entsprechenden Ziel gefahren werden konnte. Allerdings ist die  Bottichwaschmaschine nicht beheizbar. Die weiße Wäsche (Kochwäsche)  musste vorher wie gewohnt im Kessel abgekocht werden. Aber Erleichterung brachte sie der Hausfrau auf jeden Fall!
Frau Wienicke  berichtet, dass man zu jener Zeit  als „Belohnung“ eine elektrische Bottichwaschmaschine bevorzugt käuflich erwerben konnte, wenn man Mitglied der Konsumgenossenschaft wurde.
Ihre erste Gefriertruhe „erstand“ Renate Kuhlmey 1961, denn auch diese zählte in Ostdeutschland damals zu den „Mangelwaren“ wie die meisten neu entwickelten elektrischen Geräte.  Sie konnte damit ihren alten Eisschrank, den man mehrmals in der Woche mit großen Eisbrocken bestücken musste, entsorgen. Den „Eismann“, der das Eis mit einem Eispickel vor Ort in die gewünschte Größe brachte,  musste sie nun nicht mehr aufsuchen.
Eine große Erleichterung und Zeitersparnis brachte auch die Erfindung des Staubsaugers. Wer nicht in Besitz eines solchen Gerätes war, klopfte weiter wie bisher seinen Teppich auf der Klopfstange. Dazu wurde der Teppich in der „guten Stube“ zusammengerollt, nach draußen getragen und dort über eine waagerechte Stange gehängt. Zum Ausklopfen kam der aus Rattan bestehende „Ausklopfer“ in Gebrauch. Nach Entfernen des Staubes durch das Klopfen wurde der Teppich noch abgebürstet und zurück in die Stube gebracht. Im Winter, wenn reichlich Schnee gefallen war, kam der Teppich zum Ausklopfen auf den weißen Schnee. Die Klopfstelle wurde so lange gewechselt bis der Schnee darauf „fast“ weiß blieb. Diese Hausarbeit war mit großen körperlichen Anstrengungen verbunden.
Auch im Friseursalon  brachte die Elektrizität Erleichterung und Zeitersparnis. Nun musste man bei einer „heißen Welle“ (heute unter Kaltwelle bekannt)  nicht mehr warten bis die Haare von alleine trockneten. Nein, durch den Strom gab es jetzt Lockenwickel mit Strom, die die Haare in kurzer Zeit trockneten, wenn, ja wenn der Strom nicht abgeschaltet wurde wie es in den 1950er Jahren noch häufig vorkam. Dann saß die Kundin bei der Friseurin Ilse Müller hier in Jänickendorf mit den gewickelten Haaren lange Zeit und nicht selten kam es vor, dass die scharfe Lösung der Kaltwellflüssigkeit zu schmerzhaften Entzündungen der Kopfhaut führte.
Als weitere Erleichterung bei der täglichen Hausarbeit benannten die Seniorinnen und Senioren den Erwerb folgender Geräte:
)

vom

zum (r)

Fleischwolf

Multiboy

Reibesatte/Quirl/Handrührgerät
10_Handmixer 1905

elektrischer Mixer -  KM6 (Küchenmaschine)
09_Handmixer 2015

Lehmbackenofen1961

„Backwunder“

Bügeleisen aus Eisen
db_buegeleisen2

Bügeleisen aus Kunststoff mit02_Bügeleisen 2018 Temperaturregler

Handkaffeemühle

elektr. Kaffeemühle

Nähmaschine mit Fußantrieb

Anbaumotor - später elektrische Nähmaschinen


 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 


Aber auch ganz besonders der Industrie und Landwirtschaft brachte die Erfindung der Elektrizität große Fortschritte. Zum Beispiel der Übergang von der Arbeit mit der Handdreschmaschine über Bedienung per Transmission mit einem fahrbaren Schleifringmotor bis hin zur Vollerntemaschine.  06_Handdreschmaschine Brockhaus Konservations -Lexikon 190104_Dreschmaschine  mit Transmissionum 1890
Im Stall wurde das Handmelken nach und nach durch Melkmaschinen ersetzt und heute sogar durch Melkroboter.

Auf jeden Fall sind heute alle dankbar, dass es den Strom und durch diesen so viele Erleichterungen im täglichen Leben gibt. Die heutige Generation kann sich einen Haushalt, so wie er von unserer Generation bewältigt wurde, wohl kaum vorstellen.

Gisela Bölke
September 2018

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