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Arbeit auf dem Land

Hausschlachtung
Augenzeugenbericht von Jänickendorfer Senioren am 27. April 2011

Geschlachtet wurde früher nur in den Wintermonaten.
Gründe dafür waren mehr Freizeit durch die fehlende Feldarbeit und vor allem auch die kalte Witterung, denn Kühltruhen oder Kühlschränke gab es zu jener Zeit noch nicht. Alles, was länger aufbewahrt werden sollte, musste in "Erdkellern" aufbewahrt oder auf andere Art und Weise haltbar gemacht werden. Oft wurde auch zweimal geschlachtet. "Schlachtmonate" waren November, Januar, Februar bis März. Große Familien schlachteten oft zwei Schweine oder auch ein Rind und ein Schwein zusammen.
Obwohl das Schlachten mit viel Arbeit verbunden war, war die Stimmung an den Tagen der Vorbereitung und dem eigentlichen "Schlachtfest" irgendwie festlich. Lag es daran, dass die ganze Familie in die Arbeit eingebunden wurde, dass am Schlachttag trotz der vielen Arbeit Zeit für Gespräche in großer Runde war oder das gespannt sein, ob auch alles gut gelingen würde?

Schon Tage vor dem eigentlichen Schlachttermin ging es im Bauernhaus emsig zu. Viele Zutaten und Geräte gab es zu besorgen und zu reinigen:
Holzmolle, Schlachtleiter, Einweckgläser, Steintöpfe, Waschkessel, Holzbretter, Kuchenbleche und die gesamte Waschküche mussten gründlich gereinigt werden.
Gewürze, Blechbüchsen, Weißbrote standen auf dem Einkaufszettel, wenn `s in die Stadt ging. Der Fleischbeschauer musste bestellt werden.
Nach den Kriegsjahren 1945 war es Pflicht, einen Schlachtschein zu beantragen. Wer zum Beispiel nach 1945 bis in die 50-er Jahre ohne solch einen Schein schlachtete und erwischt wurde, dem drohte eine Gefängnisstrafe. Ebenfalls war es zu jener Zeit Pflicht, das Schweinefell abzuliefern.

Das eigentliche Schlachten begann 7.00 Uhr morgens. Aber für den Bauer oder die Bäuerin war die Nacht schon 5.00 Uhr an solch einem Tag zu Ende, denn der Kessel musste angeheizt werden, damit das Wasser zum Brühen des Schweins zur rechten Zeit auch heiß genug war.
Am Abend vor dem Schlachten bekam das Schwein kein Futter mehr, denn die Därme mussten ja leer sein.
War der Fleischer eingetroffen, wurde das Schwein an einem Strick aus dem Stall geführt.
Sicher ahnte das Schwein, dass es sich auf seinem letzten Weg befand. Jedenfalls passierte es einmal, dass Betthins Eber (Alte Hauptstraße) auf seinem letzten Weg den Geruch von Schüttes Sau (Schlenzer Straße) wahrnahm und sich dem Fleischer entriss. Aber alles half nichts. Er wurde wieder eingefangen und landete wie vorgesehen auf der Schlachtleiter.
Die Läufe des Schweins schnürte man vor dem Abstechen zusammen, um so Blutverlust durch heftige Bewegungen zu vermeiden.
schlachten_1Das Töten erfolgte vor 1945 mit einem an einer Axt befestigten Dorn, mit dem der Fleischer auf den Kopf des Schweins schlug. Später nahm man dazu eine extra dafür gefertigte Holzstange mit einem Eisen. Am Ende des Eisens wurde ein Loch gebohrt, durch das ein Nagel gesteckt war. Eine Person hielt diese Stange, damit der Fleischer darauf schlagen konnte. Dazu musste der Kopf des Schweins nach oben festgebunden werden, um ihn unbeweglich zu machen. Nach 1945 benutzte der Fleischer zum Töten des Schweins ein Bolzenschussgerät, bevor er es abstach.
Sofort nach dem Abstechen wurde das linke Bein in Richtung Brust hoch gehalten. War das Schwein fast ausgeblutet, pumpte man mittels Hin- und Herbewegen des Beines noch das letzte Blut aus dem toten Körper.

Meist war es die Aufgabe der Bäuerin, das ausströmende Blut aufzufangen und tüchtig zu rühren, denn es durfte ja beim Erkalten nicht gerinnen.

schlachten_3Sollte das Leder Verwendung finden, wurden diese Teile des Schweins auf der Schlachtleiter mit dem Messer eingeschnitten. So die Bauchpartie bis zur ersten Zitze, Beine und Kopf, also die Teile, die nicht zur Lederverarbeitung genutzt werden. Dann wurde mit Hilfe von kochendem Wasser aus Eimern das "Lederstück" gebrüht. Die Borsten mussten hierbei nicht entfernt werden.
Sollte die Haut nicht als Leder verarbeitet werden, kam das Schwein in den Brühtrog zum Brühen. Dann entfernte der Fleischer auch mit Hilfe einer "Glocke" die Borsten. Hing das Schwein erst einmal auf der Schlachtleiter, gab es den ersten Umtrunk nach dem alten Spruch: Wenn das Schwein auf der Leiter hängt, dann wird einer eingeschenkt.

Nun wurde das Schwein aufgeschnitten, ausgenommen und in Einzelteile zerlegt. Kopf und Bauchfleisch landeten als "Wellfleisch" im Kessel, ebenso Nieren und Leber.

Von Bauchspeicheldrüse und Filetstück legte der Fleischer eine kleine Probe für den Fleischbeschauer beiseite. In Jänickendorf hat diese Tätigkeit lange Zeit bis in die 1950-er Jahrschlachten_4e Johann Knorr ausgeführt. Wurde am Wochenende geschlachtet, verlangte er die doppelte Gebühr für die Fleischbeschauung.
War das Fleisch in Ordnung, also wurden keine Trichinen oder andere Beeinträchtigungen festgestellt, konnte erst einmal gefrühstückt werden. Jetzt kam das im Kessel Gekochte auf den Tisch - Wellfleisch, Nieren und Leberstücken. Mit dem Anbieten der Innereien geizte der Fleischer gern, da er diese ja auch für die Wurstzubereitung benötigte. Um alles gut zu verdauen durfte jetzt ein weiteres Schnäpschen nicht fehlen.

Nun wurden die ausgeweideten Därme gereinigt. Dazu wendete man diese, um sie mehrmals ordentlich mit Salz und Essig einzureiben. Sämtliche Rückstände mussten beseitigt sein, da sonst die Wurst nicht schmeckt.

Die Liesen kamen zum Trocknen auf Kuchenbleche. Die davon abgezogene Haut ist wie eine ganz dünne Folie. Diese nähte man zusammen, um sie zum Stopfen der Bratwürste zu verwenden.
Die Knochen "pökelte" man, das heißt sie wurden kräftig eingesalzen und so in einem Steintopf aufbewahrt.
Kleingeschnittenes und durch den Wolf gedrehtes Fleisch, Blut, Leber, Semmeln und entsprechende Gewürze vermischte der Fleischer nun zu den verschiedenen Wurstsorten.
Für den Geschmack war letztendlich die Hausfrau verantwortlich. Ihre Aufgabe war es, die zubereitete Wurstmasse abzuschmecken und dem Fleischer die Zugabe weiterer Gewürze zu empfehlen oder sie als gut zu bewerten. War die Wurstmasse in Därme gefüllt, landete Blut- und Leberwurst im Kessel zum Kochen. Nun musste darauf geachtet werden, dass das Feuer nicht zu heftig war, denn die Würste durften nicht platzen. Wurde eine Temperatur um 80 o gehalten, war das in Ordnung. Besonders schmeckte die Wurstbrühe aber, wenn einige Würste geplatzt waren und dadurch die Brühe nicht so dünn war.
Ein Teil des Fleisches kam gut eingesalzen ins Pökelfass und war so lange Zeit haltbar.
In so ein Fass kamen ebenfalls Speck und Schinken und wurden darin täglich mit Salzlauge begossen: Speck 14 Tage, Schinken 4 Wochen. Es durften aber keine Knochen mehr im Schinken sein, da sonst die Gefahr bestand, dass sich Maden reinsetzten. Nach 4 Wochen rieb man den Schinken ordentlich mit Pfeffer ein und hängte ihn zum Trocknen auf.
Eine alte Bauernregel sagt:

" Wenn der Kuckuck im Frühjahr ruft, darf der erste Schinken angeschnitten werden".

Dünne Kochwürste wurden zwei Tage getrocknet, um sie danach auf Holzstangen in die Räucherkammer zu hängen. Geräuchert wurde am besten mit Pflaumen- oder Buchenholz. Eine Räucherkammer befand sich in jedem Haus, meist auf dem Spitzboden unterm Dach. Zum Räuchern kamen kleine Holzstücke in einen Zinkeimer. Diese wurden angezündet. Begannen sie zu glühen, kamen die genannten Späne darüber. Der dadurch entstehende Rauch stieg nach oben, die Würste wurden "geräuchert".
Blutwurst kam meist in den Dickdarm, Sülzwurst in den gereinigten Magen. Beides musste gut gepresst werden, damit sich keine Luft ansammeln konnte, denn sonst bestand die Gefahr, dass die Wurst zu schimmeln begann.
Sülzwurst fertigte man aus Eisbein, Spitzbein und Schweinekopf. Sie wurde auch gekocht.
Die Bratwürste mussten in den dünnen Liesen langsam trocknen. Ab und zu wurde sie zwischendurch feucht abgewischt.
Topfwurst kam in Steintöpfe. Sie bestand aus Blutwurst mit reichlich untergemischter Semmel.
Die ausgebratenen Liesen bewahrte man als Fett in Steintöpfen auf. Die Grieben ("Krappen") der Liesen schmeckten auf einer Stulle oder der Topfwurst beigefügt sehr gut. Auch frisches Hackepeter kam oftmals in Steintöpfe, wurde mit Schmalz übergossen und dadurch luftdicht abgeschlossen. So konnte auch noch Tage nach dem Schlachten frisches Hackepeter verzehrt werden.
Wurst wurde auch in Gläsern oder Büchsen haltbar gemacht. Hackepeter, Blut- und Leberwurst - auch Wurstbrühe - kamen in Einweckgläser und mussten möglichst noch am gleichen Tage eingekocht werden. Die in Büchsen abgefüllte Wurst ließ man meist bei "Pflanze" (Autowerkstat) oder Domerhagk (Dorfschmied) verschließen. Mit einem "L" für Leberwurst, "B" für Blutwurst usw. kennzeichnete man den Deckel, um Kenntnis über den Büchseninhalt zu haben. Mit einer speziellen Büchsenverschlussmaschine konnten schon einmal genutzte Büchsen am Rande begradigt (abgeschnitten) werden und so noch ein weiteres Mal Verwendung finden.
Streng wurde darauf geachtet, dass die weiblichen Helfer am Schlachttag nicht ihre Regel (Menstruation) hatten. Es heißt, dass dann nämlich die eingeweckte Wurst sich nicht haltbar wäre.

Seinen Abschluss fand das Schlachtfest gegen Abend mit einem gemeinsamen Essen. Alles, was an diesem Tag hergestellt wurde, kam auf den Tisch. Dazu gab es neben der frischen Blut- und Leberwurst sowie Hackepeter und Wurstbrühe auch warmes Essen in Form von Schnitzeln, Buletten, Kartoffeln und Gemüse. Natürlich waren auch jetzt zur besseren "Verdauung" ein oder auch mehrere Schnäpschen einfach ein Muss.
Oft war es so, dass der Fleischer lieber Kaffee und Kuchen zu sich nahm, denn er war ja während der Wintermonate häufig zum Schlachten und hatte deshalb eher Verlangen nach etwas Süßem.

Brauch war es auch, den Nachbarn eine Kanne Wurstbrühe, Wellfleisch, etwas Hackepeter sowie je einen kleinen Ring Blut- und Leberwurst zu bringen. Dadurch hatte man die Gelegenheit öfter mal frisch Geschlachtetes essen zu können, denn geschlachtet wurde früher auf jedem Gehöft.

Zufrieden, dass alles geschafft und hoffentlich gut gelungen war, aber völlig erschöpft suchten wohl alle am Schlachten Beteiligten zu nicht zu später Stunde ihre Schlafstätten auf.

Gisela Bölke

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