02_1 Museum 2020 logo_museum1
Erlebnisberichte

Berichte Jänickendorfer Bürger aus ihrer Kinder- und Schulzeit in den Jahren 1939 - 1950

Der von 1946 bis 1950 in Jänickendorf tätige Lehrer Zierz spielte sehr gern Geige, was die zehn- bis zwölfjährigen Jungen nicht gerade als schön empfanden. Sie störten deshalb entsprechend das virtuose Spiel des Lehrers. Seine Strafe dafür war aber mehr als schmerzhaft. Die Jungen mussten die Hand ausstrecken und bekamen mit dem Geigenstock Schläge auf die Fingerspitzen.
Die Lehrerin Frau Schneider, die von 1942 bis 1960 die Jänickendorfer Kinder unterrichtete, nutzte dafür den Zeigestock, was sicher nicht weniger schmerzhaft war.
Frau Rose, 1957 bis 1977 Lehrerin in Jänickendorf, warf bei Unaufmerksamkeit der Schüler ihr recht umfangreiches Schlüsselbund nach ihnen. Traf dieses den Kopf, hinterließ das schon auch mal einen blauen Fleck.
Der Lehrer Schliebener unterrichtete die Jänickendorfer von 1960 bis Schließung der Schule 1977. Er nahm es mit der Sauberkeit sehr genau. Betrat er morgens das Klassenzimmer, kontrollierte er als Erstes das Vorhandensein eines sauberen Taschentuches und die Reinheit der Hände, besonders der Fingernägel.

Manfred Bölke und Peter Liewald, Enkel des Lehrers "Opa Zierz", stritten sich einmal, wer "mehr Stroh" im Kopf hätte (das war etwa 1948). Dabei kam es auch zur körperlichen Auseinandersetzung. Beide fielen zu Boden. Man hörte es mächtig "knacken". Trotzdem prügelten sich die Jungen weiter. Später stellte man fest, dass Peter sich dabei das Bein gebrochen hatte. Als Lehrer Zierz das erfuhr, brach er eine Latte vom Schulzaun und schlug Manfred damit auf den Rücken. Die Jagd ging quer durchs Klassenzimmer bis Manfred die Flucht nach Hause ergreifen konnte, um Hilfe zu holen. Dort rollte er in seiner Panik mit für sein Alter unglaublicher Kraft einen riesengroßen Eichenstamm, der vor dem Kutschenstall abgelegt war, ganz alleine beiseite, damit der Wirtschafter Schulze Peter recht schnell mit der Kutsche zum Krankenhaus nach Luckenwalde fahren konnte.
Beide blieben trotz dieses Vorfalles bis an ihr Lebensende gute Freunde.

Im Jahr 1945 waren hier in Jänickendorf noch einzelne Fremdarbeiter eingesetzt. So unter anderem auch bei Familie Nitsche / Kuhlmey. Ein Pole hatte auf dem Hof Holz gehackt und seinen Arbeitsplatz kurz verlassen. Zu dieser Zeit wohnte vorübergehend die Pfarrersfamilie Himmel mit ihren vier Jungen bei Nitsches. Die Jungen hatten nichts Besseres zu tun, als den damals fünfjährigen Detlev aufzufordern, als Mutprobe einen Finger auf den Hackklotz zu legen. Der Kleine Detlev tat das auch in der Annahme, sein Bruder würde ihm doch nicht den Finger abhacken. Der achtjährige Peter ergriff die Axt, setzte zum Schlag an in der vollen Überzeugung, dass der jüngere Bruder den Finger zurückzieht. Das geschah aber nicht oder zumindest zu langsam. Auf jeden Fall erwischte Peter beim Auftreffen auf den Hackklotz noch zwei Glieder des Zeigefingers der linken Hand und hackte sie ab. So schnell, wie das Stück vom Finger abgehackt und zur Erde gefallen war, so schnell waren auch die Hühner da und "verspeisten" es. So gab also nicht mal mehr die Möglichkeit, das abgehackte Glied wieder anzunähen.
Detlev war damit für sein Leben gezeichnet und hatte trotzdem noch Glück, dass "nur" ein Stück seines Fingers dran glauben musste.

Der älteste Bruder Peter wurde ein andermal von seinen Brüdern aufgefordert, an einem Stromkabel zu lecken. "Das würde so schön kribbeln und wäre sehr mutig". Peter leckte auch daran und hatte Glück, dass er dieses Tun überlebte. Es kam fast zum Atemstillstand und er musste längere Zeit im Krankenhaus künstlich beatmet werden.

In der Kriegs- und Nachkriegszeit spielten die Kinder oft am Jänickendorfer Vorflutgraben an der S-Kurve / Hauptstraße. Damals verlief er noch an Hagens Haus vorbei über die heutige Wiesenstraße. Die Brücke befand sich zu jener Zeit genau in der Kurve vor Horns Haus. Dahinter führte der aus dem Eichelkamm kommende Graben weiter an der heutigen Museumsscheune vorbei. Unter der Brücke war ein riesengroßes Betonrohr verlegt, das man ohne Mühe aufrechten Ganges durchschreiten konnte, wenn wenig Wasser im Graben war.
Die Jungen schnitzten sich gern aus dicker Baumrinde kleine Boote und ließen diese auf dem Graben fahren. Wessen Boot zuerst auf der anderen Seite der Brücke ankam, der hatte gewonnen.
Es war 1947 - Dietmar Himmel, der Jüngste der Pfarrersjungen, war damals gerade drei Jahre alt als Klaus und Detlev Himmel und weitere Jungen wieder ihre Wettfahrt veranstalteten. Der kleine Dietmar hatte die Aufgabe, kurz nach dem Start der Boote auf die andere Seite der Brücke zu laufen, um zu sehen, welches als Erstes dort ankommt. Dazu musste er die Hauptstraße in der S-Kurve überqueren. Natürlich achtete er in seinem Eifer und seinem Alter entsprechend nicht auf den Verkehr und so passierte es, dass er beim Überqueren der Straße direkt zwischen Vorder- und Hinterachse eines gerade die Kurve passierenden Russen - LKW kam.
Der kleine Dietmar hatte einen Schutzengel. Er wurde von der Kaderwelle getroffen. Seine rechte Gesichtshälfte war bis auf die Zähne "wegrasiert". Aber ansonsten kam er ohne weitere schwere Verletzungen davon.
Er trug sein Leben lang einen Bart, um die Narben von dem Unfall zu verdecken.


Familie Ziehe (Kostmann) hatte Brot gebacken. Gegen 9.00 Uhr war Mutter Ziehe fertig mit Backen und hatte die Asche im Ofen zusammen gekratzt als die Jungen des Pfarrers Himmel zu dem im Garten stehenden Backofen gingen. Peter, der Älteste, sollte in den noch warmen Backofen kriechen. Sie wollten "Hänsel und Gretel" spielen. Peter zeigte durch die mit Rostlöchern behaftete Backofentür ein kleines Stöckchen an Stelle seines Fingers, wie es auch Hänsel in dem Märchen tat. Die Backofentür hatten seine Brüder verriegelt. Er musste weiter im Ofen bleiben, weil der Finger noch zu dünn war. Irgendwie wurden seine Brüder draußen abgelenkt. Jedenfalls verließen sie das Grundstück und hatten damit auch völlig ihren Bruder vergessen.
Beim Abendbrot vermisste Mutter Himmel ihren großen Sohn. Da fiel Klaus und Detlev ein, dass Peter ja immer noch im Backofen eingesperrt ist. Eilends begaben sich alle zu Ziehes Garten, um Peter zu befreien. Er hatte großes Glück, dass er in dem verschlossenen noch warmen Backofen nicht erstickt ist, denn die Abzugslöcher waren mit Steinen zugesteckt. Gott sei Dank, war die eiserne Ofentür schon sehr rostig und durchlöchert. Dadurch hatte Peter genügend Luft zum Atmen bekommen.


Zu einem Unglück mit der bis Anfang der 60er Jahre hier fahrenden Kleinbahn kam es durch einen "Streich" der Brüder Himmel. Zu jener Zeit wurden von Jänickendorf nach Schönefeld Futtermittel und andere Güter mit der Kleinbahn in Loren transportiert. In Höhe der "Schlossberge" befand sich eine Weiche zum Stellen der Gleise. In diese Weiche legten die Jungen ein Stück Holz, so dass sie sich nicht mehr bewegte. Als nun die Kleinbahn kam, entgleiste die Lok mit mehreren Loren an dieser Stelle und kippte um. Zum Glück befand sich nur der Lokführer im Zug - er kam mit einem Beinbruch davon.
Der "Fall" wurde nie aufgeklärt. Viele Jahre später, die Jungen waren schon erwachsen, berichtete die damalige Gemeindeschwester Erna, die damals bei Großen wohnte, auf der Silberhochzeitsfeier von Hermann und Erna Himmel, dass sie die Jungen von dem Unfallort hatte eiligst weg rennen sehen. Das hatte sie aber bis zu diesem Tage nie jemandem verraten.


Die Straße zum Friedhof, wo heute die großen Güllebehälter stehen, war einst mit Kiefern bepflanzt. Sie waren so um die 15m hoch gewachsen. Dieser Platz war einer von vielen "Spielplätzen" der Jänickendorfer Kinder in den Nachkriegsjahren.
Nach der Schule gingen Himmels Jungen, Bölkes Jungen und weitere Kinder des Dorfes oft dort hin, um bis zur Spitze dieser Kiefern zu klettern. Oben angekommen, sprangen sie wie "Tarzan" von einer Baumspitze zur anderen. Dabei passierte es, dass ein Ast abbrach als Werner Kamke diesen bei seinem Sprung greifen wollte. Er stürzte zu Boden und bekam kaum noch Luft. Die Jungen hatten große Angst. Doch Werner Kamke hatte einen Schutzengel - außer starker Prellungen trug er keine weiteren Verletzungen davon. Aber mit gesprungen ist er niemals wieder.


Genau wie die hohen Kiefern verlockte auch die unter Naturschutz stehende Rotbuche vor dem Pfarrhaus zum Klettern. Darauf hatten sich die Söhne des Pfarrers Himmel: Peter, Klaus, Detlev und Dietmar, die 1942 bis 1951 in Jänickendorf wohnten, eine Bude gebaut. Um nicht immer die anstrengende Kletterpartie zu ihrer Bude machen zu müssen, kamen die Jungen auf eine "famose" Idee. Sie holten sich heimlich den Strick von der Sterbeglocke aus der Kirche und befestigten diesen an der Buche zum Hinaufklettern. Den Strick der Sterbeglocke nahmen sie deshalb, weil diese nicht all zu oft geläutet wurde und Vater das Verschwinden nicht so schnell bemerken konnte, obwohl er täglich vom Fenster seines Arbeitszimmers aus zu sehen war.
Eines Tages war dann aber doch eine Beerdigung und die Glocke sollte geläutet werden. Jedoch der Strick fehlte. Pfarrer Himmel benachrichtigte die Polizei - der Fall wurde nicht aufgeklärt.
Entsetzt war er einige Zeit später, als bei dem Wechsel der Pfarrstelle nach Borgsdorf der gestohlene Strick während des Umzugs beim Festbinden der Möbel zum Vorschein kam. Dafür bekamen die Jungen noch nachträglich ihre Tracht Prügel ab.


Die Jungen des Pfarrers Himmel waren schon ganz schön gewieft. Immer wieder ließen sie sich neue Streiche einfallen. So kam einer der Jungen auf die Idee, unter das Fußpedal der Orgel eine Matratze zu legen. Als der Organist zum sonntäglichen Gottesdienst sein Orgelspiel beginnen wollte, gab die Orgel keinen Ton von sich. Es dauerte eine ganze Weile, bis er die Ursache dafür feststellte.

Auch den Abendmahlswein verachteten die "himmlischen" Jungen nicht. Er war im Keller des Pfarrhauses gelagert. Das verführte die Jungen natürlich zu einer "Weinverkostung" und das nicht allein, sondern oft auch mit Freunden. Nicht selten passierte es deshalb, dass Frau Himmel noch kurz vor Beginn eines festlichen Gottesdienstes mit Abendmahl den dazu benötigten Rotwein irgendwie heran schaffen musste
Einmal hatten sich die Jungen Karbid besorgt. Sie füllten etwas davon in Flaschen, taten Wasser dazu und verschlossen diese Flaschen. Danach warfen sie diese weit von sich. Es gab einen unheimlich lauten Knall und die Flaschen explodierten, denn in Verbindung von Wasser mit Karbid entstehen Gase. Ihr Spielplatz dafür befand sich in Kirchennähe. Glücklicherweise ist dabei nichts Ernstliches passiert.
Aber nach diesem Vorfall hatte Mutter Himmel genug. Der Vater, Pfarrer Himmel, war zu der Zeit noch im Krieg. Also wusste die Mutter keinen anderen Rat, als alle ihre Jungen für einige Zeit im Keller einzusperren.

Dass die "himmlischen" Jungen so verwegen waren, lag wohl auch an den Eltern. Pfarrer Himmel war kein "Kostverächter" und ein recht lebensfroher Mensch. So rauchte er ziemlich stark und trank auch gern mal ein Bierchen in der Gastwirtschaft. Das gefiel einigen alten Damen gar nicht. Deshalb erhielt er auch ab und an mal einen anonymen Brief, in dem ihm das "unchristliche" Verhalten zum Vorwurf gemacht wurde. Aber der Pfarrer nahm kein Blatt vor den Mund. Beim nächsten Gottesdienst ging er auf solche Vorwürfe ganz cool ein. So verband er z.B. eine Predigt mit dem Laster des Rauchens und sagte dazu:" Wozu hat der liebe Gott den Tabak wachsen lassen, wenn wir ihn nicht rauchen sollen?"
Zu Weihnachten machte er auch ganz ungeniert seinen Besuchern, die ja an solch einem Tag immer besonders zahlreich gegenüber den sonst recht dürftig besuchten Gottesdiensten erschienen waren, den Vorwurf "Wenn ihr nicht immer in die Kirche kommt, braucht ihr euch auch an solch einem Tag nicht sehen lassen".
Erna Himmel hat sich noch im Alter von fast achtzig Jahren beim Öffnen der Bahnschranke in Jänickendorf an dieser festgehalten und ziemlich weit hochheben lassen, bevor sie den Absprung machte. Auch an Bölkes 3m hohen Schaukel im Garten wagte sie in diesem Alter fast einen Überschwung. Also brauchte man sich eigentlich über die "Unternehmungslust" der Söhne gar nicht wundern.


Nach fast 60 Jahren besuchte aus Anlass seines 70. Geburtstages der älteste Pfarrerssohn Peter Himmel den Ort seiner Kindheit zum ersten Mal wieder. Dazu schrieb er folgende Eintragung ins Gästebuch der Museums-Scheune:

Zurück zu den Wurzeln
kehrt Peter Himmel,
geb.1937 in Schlenzer,
von 1942 - 1949 Kindheit
und erste Schuljahre hier
verbracht erkennt, dass
die Erinnerung ein Stück
vom Paradies sein kann.
Peter Himmel am 23.10.2007


Auch Manfred und Siegmund Bölke haben einmal als Kinder mit Karbid hantiert - eigentlich in guter Absicht, ohne die Folgen zu bedenken oder zu kennen. Ihre Mutter war krank und musste im Bett bleiben. Schon seit längerer Zeit hatten sich auf dem Boden Ratten eingenistete, da dort in den Bauernhäusern früher das Getreide für den Winter gelagert wurde. Diese Rattenplage wollten die beiden Jungen beseitigen und ihrer Mutter damit eine freudige Überraschung bereiten. Aber die Überraschung war alles andere als freudig.
Sie holten sich nämlich vom Dorfschmied Karbid. Damit begaben sie sich auf den Boden. Oben angekommen, stopften sie alle sich im Fußboden befindenden Löcher zu, denn darin hielten sich die Ratten auf. Nun schlossen sie einen Schlauch an die mit dem Karbid gefüllte Lampe an. Diesen hielten sie in ein Loch im Fußboden, das sie extra dafür offen gelassen hatten. Dann drehten sie die Wasserzufuhr der Lampe weiter auf als üblich. Diese Mischung bildet Gase. Die beiden Jungen wollten durch eine Fußbodenritze die Reaktion der Ratten
beobachten und zündeten zum Beleuchten ein Streichholz an. Das Feuer löste eine gewaltige
Explosion aus. Der Fußboden wölbte sich richtig nach oben. Einige Gegenstände flogen den beiden Jungen um die Ohren.
Ihre erkrankte Mutter war in Panik aus dem Bett gesprungen. Sie wusste ja so gar nicht, was da vor sich ging. Aber Manfred und Siegmund waren schneller unten in der Küche als die Mutter oben auf dem Boden. Erst einmal war sie froh, dass ihren beiden Jungen nichts passiert war. Aber danach gab es ordentlich Schelte und beide mussten versprechen, nie wieder so etwas zu machen. Noch Wochen danach roch es auf dem Boden nach verbrannten Ratten - aber die Rattenplage hatte ein Ende.

Bölkes hatten nach der Getreideernte in ihrem Garten mehrere Meter hohe Strohmieten gebaut. Darauf tobten die Jungen gern herum. Ein Spiel war unter anderem, dass alle auf die Strohmiete klettern. Waren die Kinder oben, musste jeder versuchen, den anderen von der
Strohmiete herunter zu werfen. Wer als Letzter oben blieb, war der Gewinner. Dabei passierte es einmal, dass Klaus Himmel einer der ersten war, der von der Strohmiete zu Boden geworfen wurde. Keinen der spielenden Jungen verwunderte es, dass er nicht aufstand. Als sich alle wieder am Boden befanden, stellten sie fest, dass Klaus nicht ansprechbar ist. Er war unglücklich gefallen und hatte eine Gehirnerschütterung. Klaus war durch den Sturz ohnmächtig geworden.

Siegmund und Manfred Bölke hatten sich gemeinsam mit anderen Jungen aus dem Dorf, wie zum Beispiel Himmels, Peter Liewald und Hermann Fröhlich auf ihrem Grundstück im Garten eine große "Bude" gebaut. Dazu schlugen sie vier Kanthölzer als Pfähle in die Erde ca. 4 bis 5 m hoch. Oben bauten sie eine Bude ähnlich einem Taubenschlag ca 2 x 2 m. Darin hatten ungefähr 10 bis 15 Jungen Platz. Den damaligen Wirtschafter von Bölkes, Herrn Schulze, ärgerte es, dass immer so viele Jungen auf dem Grundstück spielten. Also kam er eines Tages mit einer großen Säge, einige Jungen befanden sich in ihrer Bude, und begann an einem der Pfähle zu sägen. Er wollte die Bude beseitigen. Da die Jungen nicht herunter kamen, musste er sein Vorhaben erst einmal aufgeben. Manfred überlegte sich, wie er das Absägen der Pfähle verhindern könne. Da kam ihm die Idee, alle vier Kanthölzer bis oben hin mit Blech zu umwickeln. Dieses nagelte er zudem noch fest und - sie hatten für immer Ruhe vor dem Wirtschafter.

Da Manfreds Vater nicht wieder aus dem Krieg gekommen ist, musste er schon als Junge in der Bauernwirtschaft schwer mitarbeiten. Besonders sein Schulfreund Klaus Himmel, Sohn des damaligen Pfarrers, war oft mit Manfred zusammen. Es war im Spätsommer - Getreideernte. Der Roggen war schon in Garben aufgestellt und musste nur noch vom Feld geholt werden. Manfred fuhr mit dem Wagen, zwei Pferde vorgespannt zum Feld, Klaus mit ihm. Der Himmel wurde immer dunkler, es begann zu donnern. Das Getreide musste unbedingt trocken eingefahren werden. Also beeilten sie sich mit dem Aufladen und los ging`s. Das Feld befand sich hinter Bölkes Grundstück. Deshalb musste die Brücke zum Eichelkamm überquert werden. Es wurde immer dunkler, die Pferde waren unruhig. Manfred trieb sie zudem noch an und nahm bei dem rasanten Tempo wahrscheinlich die Kurve über die Brücke zu kurz. Das hatte zur Folge, dass in der Kurve der Wagen umkippte. Die Fuhre Getreide, Manfred und Klaus lagen im Graben. Nur die Pferde standen noch. Aber passiert war keinem weiter etwas. Manfred kann damals höchstens dreizehn Jahre alt gewesen sein, denn Himmels zogen 1951 nach Borgsdorf.

Das Vorhandensein von Vieh auf den Gehöften verleitete die Kinder natürlich auch auf ihnen zu reiten. Klaus Himmel versuchte das auf einem Schwein genau so wie auf einem Ochsen. Einmal ritt er einige Runden auf Bölkes Hof auf einem Schwein. Das ging auch gut. Doch
plötzlich fiel dem Schwein ein, durch die offen stehende Stalltür Richtung Schweinebucht zu laufen. Ehe Klaus sich versah, war das Schwein auch schon in seinem Stall. Er dagegen krachte bei dem Durchritt volle Pulle mit dem Kopf gegen die Wand des Schweinestalls und landete auf dem Boden. Die Stalltüren waren sehr niedrig angelegt. Beim Betreten des Stalles musste man immer in gebückter Haltung die Tür durchschreiten. Ich glaube, das war Klaus sein letzter "Schweineritt".
Ein anderes Mal versuchte er auf einen Ochsen im Obstgarten zu reiten. Nur der Ochse wollte nicht so wie er. Kaum saß Klaus auf ihm, versuchte der Ochse ihn zu Fall zu bringen, indem er ganz dicht an den Obstbäumen vorbeilief. Klaus blieb mehrmals mit dem Bein an den Bäumen hängen, aber er hielt sich weiterhin tapfer auf dem Ochsen. Bei der nächsten Runde ging der Ochse hinten hoch und warf seinen Reiter mit Karacho in die im Obstgarten stehenden Stachelbeersträucher. Mit diesem Sturz und seinen folgenden Blessuren war Klaus vom Reiten für lange Zeit bedient.

Manfred Bölke musste schon während seiner Grundschulzeit schwer auf dem bäuerlichen Hof arbeiten. Der Vater war in Gefangenschaft tödlich verunglückt. Schon vor Schulantritt hatte er die Kühe zu melken und die Milch zur Rampe zu bringen. Deshalb geschah es nicht selten, dass der Junge während des Unterrichts einschlief. Das erzürnte seinen damaligen Lehrer Hahn sehr und er hatte Manfred immer auf dem "Kieker". Das ließ er ihn auch bei jeder Gelegenheit spüren. Im Musikunterricht erteilte er dem Jungen fürs Singen die Note 5 mit der hämischen Bemerkung:" In der Kirche kannst du wie eine Nachtigall singen, in der Schule überhaupt nicht." Hahn war bei den Jungen gar nicht beliebt. Sie empfanden ihn als ungerecht. Den Mädchen gegenüber war er sehr galant. Er war noch jung, die meisten verehrten ihn. Er verließ später die DDR und ging illegal nach Westdeutschland.
Nach der Wende stattete er Jänickendorf wieder einmal einen Besuch ab. Von da an lud Manfred Bölke ihn auch zu den von ihm jährlich organisierten Klassentreffen ein. Bei einer passenden Gelegenheit gab er seinem einstigen Lehrer auch einmal zu verstehen, wie abscheulich er ihn fand. Hahn antwortete darauf, dass er- Hahn - manchmal schon ein "Mistkerl" gewesen wäre und bot Manfred als "Wiedergutmachung" das DU an. Wir haben eine richtige Freundschaft zu ihm entwickelt und ihn auch in seiner Heimat Hamminkeln - Brünen einmal besucht. 2007 ist er im Alter von fast 88 Jahren verstorben. Mit seiner Frau Lore, die in Jänickendorf Schulsekretärin war, sind wir heute noch in Kontakt.

Lehrer Kamke, der Vater seines Schulfreundes Fritz Werner Kamke wurde 1941 von Stangenhagen nach Jänickendorf versetzt. Er wohnte mit seiner Familie in der "alten Schule". Als sich jemand mal ein Buch ausleihen wollte, gab er dieses mit der Begründung "Die Bücher gehören der Schule und deshalb mir" nicht heraus.
Frau Kamke unterrichtete die Kinder in Handarbeit. Sie pflegte auch die Kriegsgräber. Aber eine sonderbare Familie war das schon. Wenn Kindergeburtstag war und die Kaffeezeit nahte, schickte Fritz Werner die Kinder nach Hause mit der Bemerkung, nach dem Kaffeetrinken könnten sie ja wieder kommen.

In den Jahren um 1950 gab es zwischen den Kindern, die auf dem Wurach (Dorfeingang Luckenwalde) wohnten und denen vom Kiez (Dorfmitte) immerzu "Kämpfe". Schon in der Schule sprachen sich die Jungen ab, wie sie sich nach Unterrichtsschluss oder am Nachmittag bekriegen können. So bauten sich die Jungen vom Kiez zum Beispiel Pfeile aus Holz mit einer richtigen Spitze daran. Damit diese beim Treffen nicht abbricht, wurde sie mit Kupferdraht umwickelt und ans Ende der Spitze ein Nagel ohne Kopf eingeklopft. Diese "Geschosse" waren nicht ungefährlich. Ein Junge wurde zum Beispiel durch solch einen Pfeil ziemlich schwer an der Wade verletzt.

Lehrer Rudi Schliebener berichtet: Gleich an seinem ersten Schultag (1.9.1960) hier in der Jänickendorfer "alten Schule" passierte einer seiner Schülerinnen ein Missgeschick. Während der Pause tobten sich die Jungen und Mädchen auf dem Schulhof aus. Dabei passierte es, dass Gerlinde Bethin gegen einen Wäschepfahl lief und sich eine große Beule am Kopf zuzog. Das war ihm der Mutter gegenüber, die seine Nachbarin war, äußerst peinlich.

Der 1929 in Jänickendorf geborene Gerhard Krüger berichtet:
Er nahm sich als Kind den Brühtrog, der eigentlich zum Brühen des Schweins beim Schlachten gedacht war (ähnlich einer kastenförmigen Wanne aus Holz), ging damit zum Jänickendorfer Graben am heutigen Gottower Weg hinter der Museums-Scheune und fuhr darauf mit dem hölzernen Brühtrog wie mit einem kleinen Kahn. Das bereitete großen Spaß. Manchmal stießen die Kinder aber auch gegenseitig ihre Kähne um, so dass sie im kalten Wasser landeten.

Auch Segeln war in den 1940-er Jahren bei den Jänickendorfer Kindern angesagt. Die Wiesen links hinter Jänickendorf Richtung Luckenwalde, die so genannten "Riesen" standen oft unter Wasser, was sich erst 1960 nach Meliorationsarbeiten änderte. Im Winter war diese riesige Fläche häufig gefroren. Dann griffen sich die Kinder ihre selbst gebauten Schlitten, die sie sich meist aus Brettern mit darunter befestigten Rädern zusammengebastelt hatten, auf diese Wiese. Natürlich nicht ohne vorher heimlich ein Betttuch aus Mutters Schrank genommen zu haben. Dieses wurde entweder am "Schlitten" befestigt oder einer der darauf sitzenden Kinder hielt das Betttuch geöffnet in den Händen, so dass es wie ein Segel im Wind wehte. Damit segelten sie dann im Eiltempo über die gefrorene Wiese. Als dabei einmal die Mutter von Gerhard aus Luckenwalde zurück kam und ihren Jungen so antraf, gab es wegen des entwendeten Bettlakens gleich vor der ganzen Meute eine Schelle.

Renate Kuhlmey (geb. Nitsche) und Rosemarie Krüger erzählen, dass um 1947 am Fastnachtssonnabend zwischen 8.00 und 10.00 Uhr die Musikkapelle durchs Dorf zog. Die Kinder hatten zu jener Zeit noch am Sonnabend Unterricht - meist von 10.00 - 12.00 Uhr. Also zogen sie schon früh mit den Musikern durchs Dorf in Richtung Wurach. Das bedeutete aber meist, dass sie zu spät zum Unterricht kamen, wofür ihre Lehrerin Frau Schneider so gar kein Verständnis zeigte. Die Folge war, dass sie ihre Hände vorstrecken mussten und fürs Zu- spät kommen mit dem Rohrstock eins auf die Fingerspitzen bekamen, was sehr, sehr schmerzhaft war.

Renate Nitsche (Kuhlmey) und Elschen Krüger (Waldmann) glaubten an die Mähr, dass sie durch Waschen mit Osterwasser schön werden würden. Also begaben sie sich bei Sonnenaufgang zu dieser Zeit zum Eichelkamm, um dort aus dem Graben "Osterwasser" zu schöpfen. Dabei durfte auf keinen Fall gesprochen werden.
Einmal geschah es, dass sie sich bei Nebel und noch in halber Finsternis zum Eichelkamm begaben, wo auch große Weiden standen. Diese waren gerade erst verschnitten und wirkten dadurch von Ferne wie ein kräftiger, aufrecht stehender Mann. Beide fürchteten sich sehr und jede für sich wäre gern umgekehrt - aber sie durften ja nicht miteinander reden. Das Osterwasser wollten sie aber auch haben. Also setzten sie tapfer ihren Weg fort bis zum Graben. Mit dem aus dem Graben geschöpften Wasser wuschen sie sich zu Hause in der Hoffnung, an Schönheit zu gewinnen.

Helga Wienicke (Jahrg. 1927) berichtet, dass sie als Kind sehr feines blondes Haar hatte. Deshalb wurde sie von Martin Emmermacher (Penger) mit dem Ausdruck "Ziephopp" bezeichnet. Das ärgerte sie schon, wenn er ihr diesen Namen immer nachrief, besonders im Beisein anderer Kinder. Einmal war sie darüber so sehr verärgert, das sie ihren ganzen Mut zusammen nahm und den etwas größeren und älteren Martin dafür eine Tracht Prügel versetzte. Darüber muss er so verblüfft gewesen sein, dass er das Weite suchte. Von da an hatte sie Ruhe vor ihm.

Siegmund Brückmann (Jgang. 1927) erzählt:
Stellmacher Franz Nitsche und Willi Nitsche (Jahrg. 1910) haben als Kinder hinter der Kleinbahn Zielschießen mit größeren Steinen geübt. Dabei passierte es, dass sie auch eine Scheibe des Zuges einwarfen. Schnell rannten beide weg und versteckten sich hinter einer großen Fichte. Herr Jacobi, der damals als Bahnführer bei der Kleinbahn angestellt war, fand sie trotz intensivster Suche nicht und so bleib ihnen eine Strafe erspart.
Ein anderes Mal machten beide Zielschießen mit einer Steinschleuder, wobei sie auch eine Fensterscheibe trafen, die natürlich kaputt ging. Franz und Willi versteckten sich flugs auf Stellmacher Nitsches Heuboden. Die Übeltäter wurden nie bekannt.


Der 1929 in Jänickendorf geborene Gerhard Krüger erinnert sich:
Jänickendorf besaß zwei Bahnhöfe. Das war der für die Normalbahn der Strecke Zossen - Jüterbog und der der Kreiskleinbahnstrecke Dahme - Luckenwalde. Letztere Strecke wurde während des Krieges eingestellt. Dafür übernahm eine Pioniereinheit in Rehagen - Klausdorf diese als Versuchsstrecke. Uns gelang es häufig durch die Bezahlung mit einigen Eiern auf der Lokomotive mitzufahren. Da der Bahnhof nicht mehr in Betrieb war, tummelten wir uns dort. Eine beliebte Beschäftigung war das Lorenschieben. Auf dem Bahngelände standen geschlossene und halb offene Güterwagen sowie eine Reihe von Kipploren. Die beiden Bahnstrecken liefen vom Ort aus ca. 1,5 km parallel nebeneinander. Die Schmalspurbahn stieg auf dieser Strecke langsam an, so dass sie über eine Brücke die Normalbahn überqueren konnte. Fanden sich genügend Teilnehmer ein, wurde ein großer Waggon auf die Brücke geschoben und dann mit aller Kraft auf Fahrt gebracht. So reichte der Schwung meistens bis zum Bahnhof. Waren nur zwei Interessenten vor Ort, wurde eine Kipplore verwendet. Unser größter Streich war es, alle Scheiben des Bahnhofs einzuwerfen. Es waren insgesamt 36. Dieser Sache nahm sich der Polizist aus Stülpe an. Soweit ich mich erinnere, war es dieser Vorfall, der meinen Vater das einzigste Mal veranlasste, mir eine Tracht Prügel zu verabreichen.

website design software