Einstige Tanzvergnügen in Jänickendorf - Senioren der Geburtsjahrgänge 1928 – 1942 berichten am 23. April 2014 dazu -
Obwohl die Menschen früher auf dem Lande Sonntag wie Woche schwer arbeiten mussten und wenig Freizeit hatten, wussten sie auch zu feiern. Einen Anlass dafür gab es immer. Sei es nun zu Fastnacht, zum Erntefest oder Stollenreiten. Auch die einst zahlreichen Vereine führten Tanzveranstaltungen durch. 1928 gab es in Jänickendorf 8 aktive Vereine: Arbeiter- und Sportverein unter Leitung von: Willy Ziehe, Luckenwalder Straße 9 Gesangsverein „Gemischter Chor“: Ernst Schulze, Feldstr. 1 Harmonieverein: Alwin Michaelis, Mühlenstr. 3 Kriegerverein: Franz Ernicke, Hauptstr. 55 Männergesangsverein: Ernst Schulze, Feldstr. 1 Spar- u. Darlehenskasse J`dorf GmbH: Franz Nitsche, Hauptstr. 19 Stromversorgungsgenosssenschaft e.g.m.b.H.: Gustav Müller, Hauptstr. 49 Waldbauverein: Richard Nitsche, Hauptstr. 36 Freiwillige Feuerwehr (1929)
Bestimmte Vorschriften mussten bei allen Tanzveranstaltungen eingehalten werden, nachdem die Veranstaltung durch den Amtsvorsteher genehmigt war.
Der erste Anlass für ein Tanzvergnügen im neuen Jahr war im Februar meist Fastnacht und damit diese Veranstaltungen auch recht gut besucht waren, wurden sie in den einzelnen Ortschaften an verschiedenen Wochenenden hintereinander durchgeführt: Schönefeld war das erste Dorf der Fastnachtveranstaltungen. Danach folgten die Orte Dümde, Gottow, Stülpe, Jänickendorf und Kolzenburg. Schönefeld und Dümde waren von Jänickendorf aus gut mit dem Zug zu erreichen. In die anderen Dörfer gelangte man zu Fuß oder mit dem Fahrrad. Der obligatorische Eintrittspreis zu Tanzveranstaltungen betrug 1.--Mark. Gefeiert wurde an zwei Tagen, Sonntag und Montag: Jugendfastnacht, Männerfastnacht und Maskenball. Zum Tanz spielte hier in Jänickendorf meist die auswärtige Kapelle „Liesegang“, auch Gustav Präger/Blasmusik oder Fliegener/Streichmusik. Da die Kapellen von auswärts kamen, musste für diese auch immer eine Unterkunft zur Übernachtung im Ort gefunden werden.
Nachdem vor dem Umzug durch`s Dorf die Paare ausgelost waren, Herren und Damen dabei ihre Kopfbedeckung (Zylinder und Kopftuch) getauscht hatten, begab man sich unter Begleitung der Blaskapelle zur Gaststätte. In Jänickendorf wurde Fastnacht überwiegend in der Gaststätte „Zur Eisenbahn“ gefeiert.
Die Veranstaltung begann mit drei Pflichttänzen der Paare, die zuvor durch das Los zusammen gekommen waren. Danach wechselte die Kopfbedeckung wieder den Besitzer und die Tänzer durften nun ihre Partner zum Tanz frei wählen. Eingetanzt wurde die Veranstaltung mit den aus Luckenwalde geladenen Unternehmern durch eine Saalrunde. Die Sitzordnung während der Jugendveranstaltung war meist so geregelt, dass die Mädchen an den Tischen vor der Bühne saßen und die Jungen sich an der Theke aufhielten. Die älteren Besucher, meist Großeltern und Eltern, saßen auf ringsum im Saal aufgestellten Bänken, von wo aus sie das Treiben der Jugendlichen gut beobachten konnten. Begann die Kapelle zum Tanz aufzuspielen stürmten die jungen Burschen los, um das vorher per Blickkontakt ausgewählte Mädchen zum Tanz aufzufordern. Auswärtige Besucher sahen die Jänickendorfer Burschen dabei gar nicht gerne und äußerten das diesen gegenüber oftmals mit folgender Bemerkung: „Wir treten unsere Hühner alleine!“ Besonders erfreut waren die Paare, wenn der „Mondscheinwalzer“ gespielt wurde, denn dabei ging das Licht im Saal kurz aus und diese Gelegenheit wurde schnell zum Schmusen genutzt.
Beim Maskenball erschienen die Teilnehmer verkleidet. Dabei ließ man der Phantasie freien Lauf und hatte seinen Spaß beim Erscheinen der Kostümierten. Besonders gut in Erinnerung haben die Jänickendorfer folgende Kostüme: Stellmacher Nitsche- Elefant Ella Drogie-Litfaßsäule Kurt Rose-Klapperstorch Horst Drinkwitz-Baby im Kinderwagen Die drei Schwestern Hiltraud, Helga und Ingelore Schütte kamen auch kostümiert zum Ball: Hiltraud und Ingelore als Mohnblume. Sie hatten die Kostüme selbst aus Krepppapier gebastelt und dazu als Kopfschmuck einen Kranz mit Krone. Helga dagegen kam als Kater verkleidet zum Fest und Anneliese Schütte als Kornblume. Jenny Bethin und Helene Nitsche betraten den Saal mit einem echten Pony. Bekleidet waren beide mit Frack und Zylinder. Jedes Mal, wenn das Pony etwas „fallen“ ließ, zog Helene Nitsche ihren Zylinder, verbeugte sich vor dem Pony und fegte die Hinterlassenschaft dann auf. Diese Geste führte immer zu großem Gelächter im Saal. Bäcker Müller und Grete Schulze waren besondere Originale. Sie konnten mit ihren Bemerkungen den ganzen Saal unterhalten. Und Lotte Kuhlmey kam stets in Begleitung von drei Luckenwalder Ackerbürgern zum Maskenball. 24.00 Uhr wurden die Masken abgenommen und die drei besten Kostüme mit einem kleinen Präsent belohnt. Erinnerungsfotos von diesen Festen machte über viele Jahre Fotograf Sprenger aus Luckenwalde.
Tanz zum Stollenreiten fand meist am Abend des 1.Pfingstfeiertages statt. Hier eröffneten die drei besten Reiter mit ihren Partnerinnen das Tanzvergnügen. Oft wurde schon vorher auf der Straße vor der Gaststätte „abgetanzt“. Diesen Tanz eröffnete der Bürgermeister mit Ehefrau.
Auch das herbstliche Erntedankfest bot Gelegenheit zum Tanzen für Jung und Alt. Am Nachmittag fanden Belustigungen für Kinder mit abschließendem Kindertanz statt. Abends durften die Erwachsenen das Tanzbein schwingen. Der Jänickendorfer Max Ziehe spielte zum Tanz auf. Manchmal gab auch die Kapelle „Rosini“ unter Leitung von Kurt Rose Unterstützung. Günter Schütze spielte Klavier, Werner Diederitz Akkordeon und Walter Wiese ein Blasinstrument.
Tanzveranstaltungen der Jänickendorfer Vereine gab es ebenfalls. Der Gesangsverein „Harmonie“ veranstaltete diese in der einstigen Gaststätte „Zum Kaiser“, später unter dem Namen „Zum Hirsch“ bekannt. Die drei Töchter des Gastwirtes Rasack schauten dabei oft zu und über die älteste Tochter Christa (geb.1928) sagte man „Sie konnte eher tanzen als laufen“. Der Jänickendorfer Sportverein feierte Silvester mit einer Tanzveranstaltung in der Gaststätte „Zur Eisenbahn“. Dort war genügend Platz zum Aufstellen der Sportgeräte, denn das Vergnügen begann stets mit einem „Schauturnen“ der Jänickendorfer Geräteturner.
Die Tanzvergnügen des Kriegervereins wurden in der Gaststätte „Zum goldenen Stern“ durchgeführt.
Eigentlich hielten es die Jänickendorfer bei der Organisation der Nutzung von Räumlichkeiten für ihre Vergnügen so, dass keine der einst drei im Ort ansässigen Gastwirtschaften benachteiligt wurde.
Die Jänickendorfer Jugendlichen nutzten auch vergnügliche Veranstaltungen in anderen Ortschaften. Himmelfahrt führte sie stets nach Unterhammer.
Aber auch Dörfer wie Ferneuendorf, Buckow und Fröden gehörten zu ihrem „Jagdrevier“. Fröden war dabei wegen des Angebotes frisch gebackener Klemmkuchen besonders beliebt.
Gisela Bölke April 2014
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