Alte Sitten und Bräuche um die Weihnachtszeit und zum Jahreswechsel
Wenn es früher in Jänickendorf auch nicht so eine farbenfrohe und abwechslungsreiche Beleuchtung um die Weihnachtszeit gab wie heute, so waren trotzdem schon zur Zeit unserer Eltern und Großeltern bestimmte Sitten und Bräuche zu diesem Fest üblich. Der erste geschmückte Weihnachtsbaum wurde 1510 in Lettland aufgestellt. Das Lametta wurde erst 100 Jahre später, nämlich 1610 in Deutschland erfunden.
Lichter während der Adventszeit anzuzünden ist ein alter Brauch. Allerdings keine elektrischen Kerzen, die wurden übrigens 1882 in den USA patentiert, sondern die Wachskerzen erfüllten lange Zeit - noch heute - diesen Zweck.. Da diese früher sehr teuer waren, kamen die Kerzen nur an den vier Adventsonntagen und am geschmückten Tannenbaum zum Leuchten. Hatte die Hausfrau dazu die finanziellen Mittel, Plätzchen oder Weihnachtsstollen zu backen, stand der festlichen Vorweihnachtsstimmung nichts mehr im Wege. Übrigens ist die erste Erwähnung der Stollenbäckerei im Jahre 1306 in Naumburg/Deutschland zu finden. Spezielle Weihnachtskekse wurden erstmals 1841 in England hergestellt.
Auch Weihnachtsfeiern wurden früher in unserem Dorf durchgeführt. Diese fanden im großen Saal der ehemaligen Gaststätte von Rasacks in der Dorfmitte statt. Dazu übte Lehrer Stiebitz, später die Lehrerin Frau Schneider, kleine Theaterstücke und Weihnachtslieder – „Stille Nacht, heilige Nacht“ war 1818 erstmals in Österreich zu hören - mit den Dorfkindern ein und sie führten zur Adventsfeier das kleine Kulturprogramm vor. Einige Eltern backten dazu Kekse und Pfefferkuchen oder sammelten Kuchen im Dorf . Die Kinder zogen festliche Kleidung an. Stolz waren besonders die kleinen Mädchen, dass sie aus diesem Anlass weiße Kniestrümpfe tragen durften. Nun wurde auch die gute alte Brennschere erhitzt, um die Haare in eine Lockenpracht zu verwandeln.
Die Person des Weihnachtsmanns tritt erstmals 1905 in Kanada als Santa Claus in Erscheinung. In Jänickendorf spielte Fritz Bethin den Weihnachtsmann. Er überreichte den Kindern kleine Geschenke, die von Jugendlichen in dem bis 1945 existierenden Jugendheim, dem „Holländer“ gebastelt wurden. Dort werkelte auch Herr Hauke mit Holz. Besonders die Jungen schnitzten und sägten daraus hübsche Gegenstände. Die Senioren berichten zum Beispiel, dass Manfred und Siegmund Bölke auf diesem Gebiet besonders emsig und talentiert waren und zur Weihnachtszeit unter dem Torhaus ihres Grundstückes selbst geschnitzte Krippen, kleine Tierfiguren und ähnliches ausstellten.
Gemeindeschwester Erna setzte sich ebenfalls mit den Kindern des Dorfes zusammen, um mit ihnen zu basteln und zu sticken.
Am Heiligen Abend ging die Familie bei Glockengeläut gemeinsam zum Gottesdienst in die Kirche. Zuvor musste aber das Vieh fertig versorgt sein – an diesem Tag mit einer doppelten Ration Futter. Nach dem Kirchgang gab es hier in Jänickendorf nicht etwa den heute üblichen Gänsebraten oder Weihnachtskarpfen. Nein, auf den Tisch kamen am Heiligen Abend Mohnpielen. Das ist eine Speise aus Mohn, Milch oder Sahne, Zucker und Semmelbrocken. Zuerst wurde der Mohn in der Reibesatte fein zerrieben und die Semmelbrocken eingeweicht. Dann kamen der geriebene Mohn, die Semmelbrocken und Zucker im Wechsel in eine Schüssel. Anschließend wurde alles mit heißer Milch übergossen. Diese Mischung blieb einen Tag stehen bis sie gut gekühlt am Weihnachtsabend auf den Tisch kam. Soviel Mohnkörnchen - soviel Geld - sollten die Leute im kommenden Jahr haben.
Nach der Mahlzeit fand die von den Kindern schon sehnlich erwartete Bescherung statt. Eigentlich wussten sie schon, was der Weihnachtsmann bringen wird. Nicht etwa, dass sie vorher neugierig waren und die Geschenke in ihren Verstecken entdeckt hatten, sondern jedes Jahr gab es die alte Puppenstube, Eisenbahn oder den Kaufladen wieder. Aber immer war davon irgendetwas erneuert. In der Puppenstube vielleicht einige Möbel oder ein anderes Püppchen, bei der Eisenbahn vielleicht die Bäume oder gar eine neue Lokomotive. Der Kaufmannsladen war auf jeden Fall mit frischen Naschereien gefüllt. Die Vorfreude auf die alten Geschenke war trotzdem groß, weil sie in den meisten Familien nach vier Wochen vom „Weihnachtsmann“ wieder abgeholt wurden und bis zum nächsten Fest ihr Dasein auf dem Hausboden fristeten. Natürlich gab es auch noch andere kleine Geschenke. Oma strickte neue Socken, Handschuhe oder einen Schal. Die Gaben waren eben nützlich – das Geld war knapp.
Ein Familienmitglied, meist der Vater, spielte den Weihnachtsmann. Sein Fehlen während der Bescherung wurde damit begründet, dass er noch im Stall zu tun hätte.
Bei Familie Emmermacher schlüpfte auch einmal die Oma in das Kostüm des Weihnachtsmannes. Gut verkleidet und die Stimme bestens verstellt, fiel das auch keinem auf. Doch als „die Weihnachtsfrau“ weg war, stellte eines der Kinder fest, dass der Weihnachtsmann doch die gleichen Ohrringe gehabt hat wie die Oma!
War die Verwandtschaft groß, wurde jedes Jahr bei einem anderen Familienmitglied gemeinsam der Heilige Abend gefeiert.
Quirl Üblich war es, den Tannenbaum bis zum 6. Januar, Allerheiligen, stehen zu lassen. Danach wurde er aber nicht einfach so entsorgt wie das heute üblich ist. Nein, er diente noch einem nützlichen Zweck. Die Männer schnitzten von der Spitze des Tannenbaumes einen Quirl für die Hausfrau. Vom unteren stärkeren Ende wurde ein dickerer Quirl angefertigt, der zur Hauptschlachtzeit im Februar zum Blutquirlen genutzt wurde. Erst dann erfüllte der trockene Baum seine eigentliche Aufgabe, nämlich die Stube zu erwärmen.
Auch der Aberglauben spielte früher in der Weihnachtszeit eine nicht unbeachtliche Rolle. So durfte zwischen Weihnachten und Neujahr keine Wäsche zum Trocknen aufgehängt werden, sonst würde man für einen Angehörigen das Totenhemd vorbereiten. Wer an diesen Tagen Mist vom Hofe fuhr, der setzte sich damit der Gefahr aus, sein Glück vom Hofe zu fahren. War das Wetter zu dieser Zeit besonders stürmisch, würden die Obstbäume im kommenden Jahr keine Früchte tragen.
Silvester war ebenso mit einigen Bräuchen verbunden. Hier war besonders das Bleigießen angesagt. Aus den daraus entstehenden Figuren deutete man Ereignisse fürs kommende Jahr. Bei Familie Schütte wurde einmal Blei ins Wasser gegossen, was zur Bildung kleiner Kügelchen führte: der Sohn wurde im neuen Jahr eingezogen.
In der Gaststätte „Zur Eisenbahn“ organisierte der Sportverein alljährlich zu Neujahr ein Vergnügen. An diesem Tag zeigten die Geräteturner des Dorfes der Öffentlichkeit ihr Können. Anschließend fand für alle Anwesenden der Tanz ins neue Jahr statt.
Sitten und Bräuche gab es zu jeder Zeit. Manche gehen verloren, andere leben wieder auf oder es entstehen, bedingt durch die Veränderungen der Lebensbedingungen sowie den Fortschritt in Wissenschaft und Technik, neue Sitten und Bräuche.
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